Wie Norwegen mit seiner Israel-Politik Trumps Ärger auf sich zieht

Jonas Gahr Støre und Jens Stoltenberg bei Donald Trump im Weißen Haus.
Lebensmittel sind fast sechs Prozent teurer als noch vor einem Jahr; die Zinsen für Kredite sind gestiegen; der Wirtschaft geht es, dank des europäischen Imports von norwegischem Öl und Gas seit der Abkehr von russischen Quellen, zwar besser als den europäischen Ländern, aber die Erschließung neuer Reserven ist heftig umstritten. Eigentlich typische Wahlkampfthemen in diesen Zeiten – Norwegen wählt am Montag ein neues Parlament.
Doch dann mischte sich plötzlich US-Präsident Donald Trump ein, der bisher mehr mit dem Nachbarland Dänemark und Grönland beschäftigt war. Zudem drohte der Trump-loyale, republikanische Senator Lindsey Graham, norwegische Visa einzuschränken und das Land mit Zöllen zu belegen. „Geschäfte mit oder ein Besuch in Amerika sind ein Privileg und kein Recht“, so der Trump-Unterstützer auf X.
Was ist geschehen?
Verantwortlich für die verbale Attacke ist der Rückzug des norwegischen Staatsfonds, des Oljefondet, aus dem US-amerikanischen Maschinenbauunternehmen Caterpillar, kurz CAT – mit der Begründung, die Maschinen würden zur Zerstörung palästinensischer Gebiete beitragen. Seit Jahrzehnten nutzt die israelische Armee gepanzerte CAT-Bulldozer, die auch mit Waffen ausgestattet werden können; Caterpillar steht deswegen auch auf der Liste der umstrittenen Boykott-Bewegung BDS. „Ich empfehle euch, eure kurzsichtige Entscheidung zu überdenken“, kommentierte Graham auf X die Entscheidung der Norges Bank, die den Fonds verwaltet.

Eine Demo gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen Ende August am Gronland-Platz in Oslo.
Zwickmühle
Den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre, der gute Chancen hat, im Amt zu bleiben, bringt das in eine Zwickmühle: Der Staatsfonds, der die Gewinne aus Öl und Gas in internationale Aktien, Anleihen und Immobilien steckt, um damit etwa die Pensionen künftiger Generationen abzusichern, hält beträchtliche Anteile an großen US-Tech-Konzernen wie Apple, Microsoft, Amazon, Meta oder Tesla.
Gleichzeitig ist die norwegische Bevölkerung im Nahostkonflikt eine der lautesten Unterstützer der Palästinenser in Europa, vor allem die muslimische Community im Land. Im Vorjahr hat Norwegen Palästina als Staat anerkannt; Ministerpräsident Støre hat die Zustände in Gaza mehrmals als öffentlich angeprangert. Eigenen Angaben zufolge hat das Land bis Mai dieses Jahres 206 Schwerverletzte aus dem Gazastreifen evakuiert und aufgenommen.
Der norwegische Staatsfonds ist mit rund 1,6 Billionen Euro der größte der Welt und legt das Vermögen aus norwegischem Öl und Gas langfristig und gesellschaftlich an. Investiert wird in rund 8.400 Unternehmen, der Fonds besitzt 1,5 Prozent aller weltweit notierten Aktien. Im Vorjahr hat der Fonds ein Rekordergebnis von 13 Prozent erzielt. Das sind rund 210 Milliarden Euro.
Empfehlung vom Ethikrat
Die Entscheidung des Verkaufs von Caterpillar geschah auf Empfehlung des Ethikrats des Fonds. Dessen Prinzipien verbieten Investitionen in Unternehmen, die Massenvernichtungswaffen herstellen, gegen Menschenrechte verstoßen oder zur Rüstungs- oder Tabakindustrie gehören. Es ist nicht die erste Desinvestition, die mit Israels Vorgehen in Gaza nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 begründet wird: Im August hat der Staatsfonds fast die Hälfte seiner Anteile an 61 israelischen Unternehmen sowie an fünf israelischen Banken verkauft.
Der frühere NATO-Generalsekretär und jetzige Finanzminister Norwegens, Jens Stoltenberg, verteidigte die Entscheidung: Der Rückzug geschehe bei jenen Unternehmen, „die zu staatlichen Verstößen gegen das Völkerrecht beitragen“; man ziehe sich nicht aus Unternehmen zurück, „nur weil diese israelisch sind.“ Beispielsweise hatte die Norges Bank ihre Anteile an Bet Shemesh Engines verkauft, das die Triebwerke der Flugzeuge der israelischen Armee wartet.
Sozialdemokraten vorne
Neben einem Großteil der Bevölkerung findet der Rückzug Befürworter bei den linken Kleinparteien – die braucht Støre, um sich eine knappe Mehrheit zu sichern. In den Umfragen liegen die Sozialdemokraten bei rund 26,5, gefolgt von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei mit 22 und den Konservativen mit 14,5 Prozent. Allerdings knüpfte etwa die Sozialistische Linke ihre Unterstützung an die Bedingung, dass sich der Staatsfonds aus allen Unternehmen, die sich am „illegalen Krieg Israels im Gazastreifen“ beteiligten, zurückziehe – was Støre im Wahlkampf abgelehnt hat.
Das hätte auch für die USA Konsequenzen: Die Hälfte seines Vermögens hat der Fonds in den USA angelegt, und ist damit wesentlicher Investor in die US-Wirtschaft.
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