Nordkorea hat möglicherweise erneut Atomtest unternommen

Seismologen registrierten Erdbeben. Trotz Sanktionen hält Nordkorea an seinem Atomwaffenprogramm fest.

Nordkorea hat am Freitag möglicherweise wieder einen Atomtest durchgeführt. Das berichtet die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Hinweis auf eine Regierungsquelle in Seoul. Zuvor hatten Seismologen ein Erdbeben der Stärke 5,0 in Nordkorea festgestellt. So wurde vermutet, dass es sich um eine künstliche Explosion durch einen neuen Nukleartest handeln könnte.

Über die Stärke der Explosion sind sich Experten indes uneins. Dem südkoreanischen Verteidigungsministerium zufolge wurde eine Detonationsstärke von rund zehn Kilotonnen gemessen. Dies wäre der stärkste der bisher fünf nordkoreanischen Atomwaffentests. Die bisher heftigste Explosion war im Februar 2013 mit sechs bis neun Kilotonnen registriert worden. Die Atombombe, die 1945 über dem japanischen Hiroshima abgeworfen worden war, hatte eine Sprengkraft von rund 15 Kilotonnen. Jeffrey Lewis vom Middlebury Institut Internationaler Studien in Kalifornien schätzte sie auf 20 bis 30 Kilotonnen.

UN-Sondersitzung am Freitag

UN-Sicherheitsrat will noch am Freitag in New York zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das Treffen werde um 16.00 Uhr (MESZ) beginnen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, teilten die Vereinten Nationen mit. Später wollte sich auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon äußern. Nordkorea hatte zuvor den zweiten Atomtest in diesem Jahr vermeldet.

Versuchsgelände Punggye-ri

Die Erdstöße wurde bei dem Testgelände Punggye-ri festgestellt, wo Nordkorea im Jänner seinen vierten Atomtest vorgenommen hatte, wie der südkoreanische Generalstab berichtete. Das Militär analysiere die Informationen. Alle unterirdischen Atomversuche Nordkoreas seit 2006 sind bisher auf dem Versuchsgelände Punggye-ri vorgenommen worden.

Zuvor hatten Satellitenaufnahmen dort schon Aktivitäten entdeckt, die auf Vorbereitungen auf einen fünften Atomversuch hindeuten könnten. Nach dem Atomtest im Jänner und dem umstrittenen Start einer Weltraumrakete im Februar ist die Lage in der Region sehr gespannt. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Sanktionen gegen Pjöngjang verschärft.

Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye kritisierte den jüngsten Atomtest als "klaren Verstoß von UN-Resolutionen und als große Herausforderung für die internationale Gemeinschaft". Seoul werde "alle möglichen Mittel" ergreifen, um Pjöngjang zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu zwingen, sagte Park in Laos nach einem Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap

Ungeachtet der Verwarnungen und Strafmaßnahmen durch die Vereinten Nationen hatte der isolierte stalinistische Staat mit Machthaber Kim Jong-un an der Spitze seine Raketentests fortgesetzt. Erst am Montag hatte Nordkorea erneut ballistische Raketen gestartet und damit den Gipfel der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) im ostchinesischen Hangzhou überschattet.

UNO und IAEO üben scharfe Kritik

Am Dienstag erst hatte der UN-Sicherheitsrat den jüngsten Raketentest Nordkoreas scharf verurteilt. Damit habe das Land gegen zahlreiche Resolutionen des Gremiums verstoßen, hieß es in einer Mitteilung des Rates.

Frankreichs Präsident Francois Hollande rief den UN-Sicherheitsrat auf, auf "diese Verletzung seiner Resolutionen" zu reagieren. Der UN-Sicherheitsrat hatte wegen früherer Verstöße bereits harte Sanktionen gegen Nordkorea verhängt.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) hat den mutmaßlich fünften Atomwaffentest Nordkoreas als "zutiefst beunruhigenden und bedauerlichen Akt" bezeichnet. "Dies ist eine klare Verletzung zahlreicher Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und eine vollständige Missachtung der wiederholten Forderungen der internationalen Gemeinschaft", erklärte IAEA-Direktor Yukiya Amano am Freitag in Wien.

USA kündigen "ernste Konsequenzen" an

Inzwischen hat US-Präsident Barack Obama "ernste Konsequenzen" nach dem Atomtest angekündigt. Obama habe sich zudem erneut zum Schutz der US-Verbündeten in der Region bekannt, sagte sein Sprecher Josh Earnest am Freitag an Bord des Präsidenten-Flugzeugs Air Force One.

Der Präsident sei von der Nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice über die Vorgänge in Nordkorea informiert worden, hieß es. Das kommunistische Land hat nach eigenen Angaben einen fünften Atomtest vorgenommen.

China, Japan und Russland verurteilen den Atomtest

Auch der wichtigste Verbündete Nordkoreas China protestierte am Freitag gegen den Atomtest. Das Außenministerium in Peking sprach von Chinas "entschiedenem Widerstand" gegen den unterirdischen Versuch, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. China dränge Nordkorea, seine Verpflichtungen für eine koreanische Halbinsel ohne Atomwaffen und für Frieden und Stabilität in Nordostasien einzuhalten. Auch müsse Pjöngjang die Resolutionen der Vereinten Nationen erfüllen und alles unterlassen, was die Situation weiter verschlechtere.

Nordkoreas Verhalten könne nicht toleriert werden, erklärte in Japan Ministerpräsident Shinzo Abe. Das Atomprogramm Pjöngjangs unterlaufe den Frieden und die Stabilität in der Region und der Welt. Tokio legte bei Nordkorea offiziell Protest ein.

Die Beschlüsse der Vereinten Nationen zu Nordkorea müssten genau eingehalten werden, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag in Genf, wie die Agentur Interfax meldete. Das abgeschottete kommunistische Nordkorea hatte zuvor seinen fünften und bisher stärksten Atomsprengkörper getestet. In Moskau sagte ein Vertreter des Außenministeriums, der Test zeige, dass Sanktionen kein Allheilmittel seien. "Man muss eine Lösung für das Atomproblem auf der koreanischen Halbinsel viel breiter angehen unter aktiver Nutzung aller politisch-diplomatischen Mittel."

Der Österreichische Erdbebendienst der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) konnte in der Nacht auf Freitag um 0:41 (Weltzeit) ungewöhnliche seismische Signale aus Nordkorea mit einer Magnitude von 5,3 messen. Die Charakteristik der Signale lässt auf eine Explosion schließen, teilte die ZAMG am Freitag in einer Aussendung mit.

Das Epizentrum der von der ZAMG gemessenen Erschütterungen liege in der Nähe der Punggye-ri Testbasis in Nordkorea und stimme damit mit den Orten der vergangenen Tests von 2006, 2009, 2013 und Jänner 2016 überein. Die Explosion habe um 0:30 Uhr (Weltzeit) stattgefunden. Die seismischen Wellen erreichten Österreich nach 11,5 Minuten um 0:41 Uhr (Weltzeit).

Die UN-Behörde zur Überwachung des internationalen Kernwaffenteststopp-Abkommens (CTBTO) sprach von einem "unüblichen seismischen Ereignis". Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO) bezeichnete den mutmaßlich fünften Atomwaffentest Nordkoreas als "zutiefst beunruhigenden und bedauerlichen Akt".

Jeder Atomtest auf der Erde könne innerhalb kurzer Zeit nachgewiesen werden. Das garantiert die CTBTO, die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization). Die CTBTO hat ihren Sitz in der UNO-City in Wien und koordiniert das weltweite Kontrollnetz zur Überwachung des Verbots von Kernwaffentests. Dazu gehören unter anderem die Messung von Radioaktivität und Bodenerschütterungen. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) betreut in Österreich für die CTBTO das Nationale Datenzentrum NDC-AT.

Im einem Video zeigt die CTBTO anhand eines realen Beispiels, wie ein Atomtest schnell und verlässlich festgestellt werden könne. Das Beispiel beschreibe den Atomtest von Nordkorea am 12. Februar 2013.

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