New York: Wo Corona am schlimmsten wütet
Ein Sturm fegt über New York, wirbelt Müll durch die Luft, bricht Äste von den Bäumen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Mateo vorsichtshalber in seiner Mini-Wohnung in Jamaica-Queens bleibt. Mit den zwei kleinen Kindern ist es zwar manchmal laut. Doch der gebürtige Mexikaner hat Angst, sich mit Corona anzustecken. Sein Kollege Santiago ist erst vor wenigen Tagen an den Folgen von Covid-19 gestorben.
Mateo hat sich in den vergangenen zwölf Jahren zum Koch hochgearbeitet. Er bekommt jede Woche seinen Gehaltsscheck, bezahlt Steuern. Aber: Er ist noch immer illegal hier. Einer von rund elf bis zwölf Millionen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in den USA. Viele lassen sich auch keine Lebensmittelspenden von der Stadt bringen, denn die Einwanderungsbehörde könnte mit vorbeischauen.
Bald wird der nächste Miete-Scheck fällig, aber noch reicht das Ersparte. Im Notfall muss die Familie das Auto verkaufen. Ohne gültige US-Papiere kann sich Mateo nicht arbeitslos melden.
Aber selbst wer sich beim Amt meldet, hat vielleicht noch keinen einzigen Cent vom Arbeitslosengeld gesehen. Sommelier Mick wartet bereits seit dem 24. März. Der Antrag seiner Frau, die ebenfalls in der Gastronomie arbeitet, ist dagegen schon bearbeitet worden. Wegen der Flut der Anträge ist das Arbeitslosen-System kollabiert. Und bis Mitte Mai bleiben alle nicht-essenziellen Geschäfte geschlossen, um die Pandemie einzudämmen.
26 Millionen ohne Job
Die Folge: Noch nie waren in New York so viele Menschen ohne Job wie jetzt – 1,2 Millionen. In den ganzen USA haben innerhalb von vier Wochen 26 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren.
Für die, die an vorderster Front arbeiten, fordert New Yorks Gouverneur Mario Cuomo eine 50-prozentige Gefahrenzulage. Zu den Helden gehören Krankenschwestern, Ärzte und Polizisten. „Ein Dankeschön ist nett, aber es wäre auch angemessen, ihre Mühe und Aufopferung anzuerkennen,“ sagte Cuomo. „Sie sind diejenigen, die uns durch die Krise bringen, und die Krise ist noch nicht vorbei.“
Zuletzt hat die Metropole weniger Krankenhausaufenthalte und weniger Tote im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Doch NY ist nach wie vor das Epizentrum der Krise in den USA. Innerhalb von 24 Stunden sind am Montag 481 Menschen gestorben, am Tag davor waren es 478. Im Bundesstaat NY sind mehr als 251.000 Menschen infiziert, mehr als 15.300 gestorben.
Für diejenigen, die an der „Front“ arbeiten, sind es einzelne Schicksale, die sie nicht so schnell vergessen können. Gegenüber dem Mount Sinai Krankenhaus an der Fifth Avenue zeugen die weißen Krankenhauszelte im Central Park von der Überforderung aller mit dem Coronavirus. Krankenschwestern sitzen in der Mittagspause in ihrer grünen Uniform auf Parkbänken.
„Ein Bonus, extra Geld ist nett,“ sagt Danice. „Aber wir brauchen ganz was anderes. Im Moment sind wir noch voller Adrenalin und deswegen noch nicht zusammengeklappt. Und wir helfen uns in der Familie gegenseitig, meine Eltern arbeiten auch im Krankenhaus. Wir reden daheim viel über das, was wir erlebt haben. Aber wenn das Ganze abklingt, werden wir das Trauma spüren. Dann brauchen wir Hilfe.“ Psychologische Hilfe – und auch noch viel mehr Tests.
Flaschen an der Tür
In der Zwischenzeit gilt in New York für alle Maskenpflicht, wenn Social Distancing nicht möglich ist. Auch für Kinder ab zwei Jahren.
Und während die Schlangen vor den Supermärkten teilweise um Häuserecken reichen, lassen kleine Läden wie der Columbus Wines & Spirit am Central Park derzeit überhaupt niemanden mehr hinein. Ein „Personal Shopper“ bringt die Weinflaschen zur Tür. Zu groß ist nach wie vor die Angst, sich anzustecken.
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