Neue EU-Sanktionen gegen Russland werden wohl heute beschlossen

European Parliament session in Strasbourg
EU-Außenbeauftragter hofft auf baldiges Öl-Embargo. Die ukrainische Regierung kritisiert Ungarn.

Die Europäische Union steht kurz vor der Verabschiedung einer weiteren Verschärfung der Sanktionen gegen Russland. "Vielleicht diesen Nachmittag, spätestens morgen", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag Journalisten. Vorgesehen ist unter anderem ein Stopp der Kohle-Importe. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnete das geplante neue EU-Sanktionspaket gegen Russland als "Schritt nach vorn".

Borrell hofft darauf, dass die EU möglichst bald auch den Import von Öl aus Russland einschränkt. Ein Öl-Embargo sei zwar nicht Teil des aktuellen Sanktionspakets, über das die EU-Staaten derzeit berieten, sagte der Spanier am Rande von Beratungen der NATO-Außenminister in Brüssel vor Journalisten. Doch es werde Thema beim Treffen der EU-Außenminister am Montag sein. "Und früher oder später, ich hoffe früher, wird es passieren."

EU-Kommissionschefin von der Leyen hatte am Dienstag ein fünftes Paket mit Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen, über das die EU-Staaten nun beraten. Es enthält unter anderem ein Importverbot für Kohle aus Russland, aber auch weitere Beschränkungen für den Handel mit Russland und ein weitgehendes Einlaufverbot für russische Schiffe in EU-Häfen.

Von der Leyen bezog sich bei ihrer Ankündigung ausdrücklich auf die am Wochenende bekannt gewordenen Gewalttaten im ukrainischen Butscha. Er hoffe, dass das fünfte Paket an diesem Donnerstag von den EU-Botschaftern gebilligt und anschließend endgültig im schriftlichen Verfahren beschlossen werde, sagte Borrell.

Kohle-Importstopp wohl erst Mitte August

Das geplante EU-Embargo gegen den Import russischer Kohle wird zwei Insidern zufolge wahrscheinlich erst ab Mitte August greifen, einen Monat später als zunächst angedacht. Vertreter der EU-Staaten dürften einem solchen Embargo vermutlich noch am Donnerstag zustimmen. Nach früheren Angaben der EU-Kommission könnte Russland dadurch Einnahmen von vier Milliarden Euro im Jahr verlieren.

Die Brüsseler Behörde hatte zunächst eine dreimonatige Abwicklungsphase für laufende Verträge vorgesehen, wie aus einem Reuters vorliegenden Dokument hervorgeht. Damit hätte Russland nach der Verkündung der Strafmaßnahmen noch bis Mitte Juli Kohle in die EU exportieren können. Diese Abwicklungsphase sei nun auf vier Monate ausgedehnt worden, so die Insider. Deutschland ist unter den EU-Staaten Hauptimporteur russischer Kohle und braucht mehr Zeit für die Umstellung.

Ukrainischer Außenminister zufrieden

Kuleba sagte, noch vor einer Woche seien die Vorschläge für das neue Sanktionspaket deutlich schwächer gewesen. Auch er äußerte sich am Rande von Beratungen mit den 30 NATO-Außenministern in Brüssel. "Wir waren sehr unglücklich darüber." Zugleich bekräftigte er, dass das geplante Paket aus ukrainischer Sicht noch immer nicht ausreichend sei. Man werde weiter etwa auf ein Öl- und Gas-Embargo gegen Russland dringen sowie darauf, alle russischen Banken vom Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT auszuschließen.

Auch Kuleba sitzt am virtuellen Verhandlungstisch

Der ukrainische Außenminister Kuleba.

Kuleba sagte weiter, er hoffe, dass es nie wieder derlei Gräuel brauche, um andere Länder zu schockieren, damit sie neue Sanktionen verhängen. "Ich glaube nicht, dass die Ukrainer für den politischen Willen der Partner, Sanktionen zu verhängen, mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrem Leid bezahlen sollten."

Kritik an Ungarn aus der Ukraine

Ungarn warf die Ukraine unterdessen eine "unfreundliche Haltung" vor, weil die Regierung in Budapest, wie von Russland verlangt, Gaslieferungen in Rubel bezahlen will. "Wenn Ungarn wirklich helfen will, den Krieg zu beenden, dann kann es folgendes tun: Hört auf die Einigkeit der EU zu zerstören", erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleg Nikolenko.

Ungarn lehnt ein gemeinsames Vorgehen der EU-Länder bei Sanktionen ab. Die meisten EU-Staaten haben sich darauf verständigt, russische Energielieferungen wie vorgesehen auch weiterhin in Euro oder Dollar zu zahlen. Der russische Präsident Wladimir Putin will die Zahlung in Rubel, um so die im Krieg abgerutschte, russische Währung stützen zu können. Durch Beibehalten der Energie-Zahlungen in Euro soll auch ein Unterlaufen der gegen Russland verhängten Sanktionen verhindert werden.

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