Neue Drohungen und neuer Streit: Worum geht es in Nordirland?

Neue Drohungen und neuer Streit: Worum geht es in Nordirland?
Die Wahlen in Nordirland und die Probleme mit Grenzkontrollen sorgen für neuen Streit mit der EU. Was droht der einstigen Bürgerkriegsprovinz?

Schon wieder Nordirland, schon wieder Streit um die Grenze mit der benachbarten Republik Irland. Die Verhandlungen über die Zukunft der auf der irischen Insel nach dem britischen EU-Austritt haben die Verhandlungen über den Brexit jahrelang überschattet. Jetzt aber kocht der Konflikt schon wieder hoch. Der KURIER erklärt, warum.

Warum gibt es Streit über die Grenze auf der irischen Insel?

Das Karfreitags-Friedensabkommen für Nordirland von 1998 sieht den Abbau der Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland vor. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU aber ist diese Grenze eine EU-Außengrenze. Trotzdem soll es ungehinderten Verkehr von Waren und Dienstleistungen geben. Um den EU–Binnenmarkt zu schützen, müssen Güter die aus England nach Nordirland transportiert werden, jetzt kontrolliert werden. Die Details dafür stehen in dem über Jahr mühsam ausgehandelten Nordirland-Protokoll. Die Kontrollen aber sind mühsamer als erwartet, verzögern den Warenverkehr und machen viele Waren in Nordirland teurer.

Was sind die politischen Konsequenzen?

Das Friedensabkommen sieht für Nordirland grundsätzlich eine gemeinsame Regierung der stärksten pro-britischen und der stärksten pro-irischen Partei vor. Nach den Wahlen vor wenigen Wochen ist die radikale pro-irische Sinn Fein stärkste und die ebenso radikale pro-britische DUP zweitstärkste Partei geworden. Die DUP aber weigert sich, in eine gemeinsame Regierung zu gehen. Man verlangt, dass das Nordirland-Protokoll für ungültig erklärt wird.

 

Wer aber streitet jetzt mit wem?

Die britische Regierung drängt seit Monaten darauf, die gesamte Regelung für die Kontrollen zwischen England und Nordirland neu zu verhandeln. Man hat sogar mehrfach damit gedroht, die Verträge gänzlich aufzukündigen. Die EU zeigt sich empört, will aber das gesamte Paket nicht wieder aufschnüren. Inzwischen hat London seinen Ton gemäßigt und verlangt lediglich Ergänzungen für das Nordirland-Protokoll. Auch drängt man die DUP, ihre Blockade einer neuen Regierung für Nordirland aufzugeben und Verhandlungen mit Sinn Fein zu beginnen.

Welche Gefahren birgt der aktuelle Streit?

Die pro-britische, protestantische Bevölkerung Nordirlands – das ist etwa die Hälfte – sieht sich als Verlierer des Brexit. Man fühlt sich vom britischen Mutterland isoliert und einem wachsenden Druck in Richtung einer Wiedervereinigung Irlands ausgesetzt. Das wird durch den jüngsten Sieg der Sinn Fein verstärkt, die ja offen für diese Wiedervereinigung eintritt. Diese Partei war einst der politische Arm der pro-irischen Terrororganisation IRA. Während der Brexit-Verhandlungen und seit dem EU-Austritt Großbritanniens haben die Spannungen in Nordirland wieder zugenommen. Vor allem bei den pro-britischen Protestanten wächst der Unmut, der sich mehrfach in gewaltsamen Protesten und sogar Angriffen auf pro-irische Katholiken entladen hat. Die Stimmung verdüstert sich durch die schlechte Wirtschaftslage weiter. Nordirland ist seit Jahrzehnten eine der ärmsten Regionen Großbritanniens. 

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