Netanyahu bringt Trump einige Streitthemen mit

Rechte Israelis könnten von ihrem Fürsprecher in den USA enttäuscht werden

Justin Trudeau, Theresa May, Shinzo Abe - das war für Donald Trump an Staatsbesuchen eine Art Warmlaufprogramm gemessen an dem, was am Mittwoch auf ihn zukommt: Benjamin Netanyahu stellt sich im Weißen Haus der neuen Administration vor. Israels Premierminister und politischer Unruheherd im Nahen Osten ist für die Amerikaner geliebter Feind und gehasster Freund zu gleichen Teilen.

Und das galt nicht nur für die abgedankte Administration von Barack Obama, unter der die traditionell hochgehaltenen israelisch-amerikanischen Beziehungen ihren Gefrierpunkt erreicht hatten. Trump hat eine Totalumkehr in der Nahost-Politik versprochen. Mit David Friedman installierte er einen Israel-Botschafter, der bisher Konkursanwalt war und politisch unbeschlagen ist. Der Sohn eines Rabbis ist aber als Hardliner in der Nahostfrage bekannt - und als persönlicher Freund von Donald Trump.

Pro-israelische Unterstützer

Mit Jared Kushner hat auch Trumps Berater und Schwiegersohn ein Wörtchen mitzureden - Spross einer strenggläubigen jüdischen Familie. Erst am Donnerstagabend saß Trump noch mit einem im Weißen Haus zu Tische, der vor ein paar Jahren noch dem Iran eine Atombombe schicken wollte: Sheldon Adelson, schwerreicher Kasinounternehmer, der den Republikaner-Wahlkampf mit insgesamt 65 Millionen Dollar (rund 61 Millionen Euro) speiste. Adelson hält Palästina für eine Erfindung, die ausschließlich zur Zerstörung Israels gedacht sei.

Das alles klingt nicht gut für die Palästinenser. Was den Iran angeht, geht unter westlichen Diplomaten ohnehin die Angst um. "Die USA werden das Atomabkommen nicht aufkündigen, aber es kann gut sein, dass die USA den Iran dazu bringen, es aufzukündigen", sagt einer. Dann droht sich eine Spirale von Aufrüstung und gegenseitigen Drohungen zu entfalten, die gefährlich werden kann.

USA und Israel zunehmend alleine

Doch sollte sich Netanyahu nicht zu sicher sein. Die USA haben international kaum noch Verbündete, die ihre Sicht auf den Nahost-Konflikt teilen. Die Europäer etwa sind mit dem Iran und seiner Einhaltung des Atomabkommens bisher hoch zufrieden. Und: Eine Lösung der Palästinenserfrage soll möglichst länger halten als die Präsidentschaft von Donald Trump, selbst wenn er acht Jahre im Weißen Haus bleiben sollte. Der unberechenbare Trump könnte Israel überraschend zu einem Frieden drängen. Dann bliebe selbst der rechtsgerichten Regierung in Jerusalem wenig Spielraum - anders als unter Obama.

Netanyahu reist ohnehin zu einer Zeit nach Washington, in der er innenpolitisch massiv unter Druck steht. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Er soll unter anderem teure Geschenke von Geschäftsleuten angenommen haben.

Netanyahu bringt Trump einige Streitthemen mit
A rainbow is seen over a concrete barrier in Netiv Haasara, southern Israel February 13, 2017. REUTERS/Amir Cohen TPX IMAGES OF THE DAY

Zwei-Staaten-Lösung unter Druck

Rechts-religiöse Mitglieder der Regierung forderten ihn vor dem Treffen mit Trump zudem auf, die Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen Staat Palästina neben Israel öffentlich aufzugeben. Sie sehen den Amtsantritt des republikanischen Präsidenten Trump als einmalige Chance, ihre Vorstellung eines Israels vom Mittelmeer bis zum Jordan voranzutreiben.

Robbie Sabel, Professor für internationales Recht an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist deswegen davon überzeugt, dass sich Netanyahu nicht öffentlich auf oder gegen die Zwei-Staaten-Lösung festlegen wird. "Das ist ein Minenfeld für ihn", sagt Sabel. Unterstützt Netanyahu das Konzept, vergrätzt er die rechts-religiöse Wählerschaft. Seine internen Kritiker werden weiter gegen ihn vorgehen. Lehnt er sie erstmals ab, gerät Israel international noch stärker unter Druck.

Hadas Cohen, Politikwissenschaftlerin an der Hebräischen Universität, sieht den Ministerpräsidenten ebenfalls im Dilemma. Er sei weniger siedlerfreundlich, als bestimmte Teile der Regierung, sagt Cohen. "Wenn die politische Landschaft sie verfügbar macht, wird er sich für die Zwei-Staaten-Lösung entscheiden."

Heimliche Unterstützung für Atomabkommen?

Professor Sabel erwartet von dem Treffen auch keine Vereinbarung im Umgang mit dem Iran. "Netanyahu wird Trump nicht bitten, das Atomabkommen mit dem Iran aufzuheben, aber dafür sorgen, dass es umgesetzt wird", sagt Sabel. Das israelische Militär gehe davon, dass Israel mit dem Atomabkommen immer noch sicherer sei als ohne - auch wenn das in der israelischen Regierung niemand laut sage. "In den nächsten zehn Jahren wird Iran keine Atombombe bauen", betont der ehemalige Berater des israelischen Außenministeriums.

Israel eroberte während des Sechs-Tage-Krieges im Jahr 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem. 1980 annektierte es den arabisch geprägten Teil der Stadt. Das Westjordanland wird heute in weiten Teilen von Israel kontrolliert. Noch 1967 entstand mit Kfar Etzion südwestlich von Jerusalem die erste Siedlung im Westjordanland. Mittlerweile leben rund 600.000 Menschen in mehr als 200 Siedlungen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland.

International werden die Gebiete als besetzt angesehen. Alle Siedlungen sind demnach illegal und gelten als ein Hindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der neben Israel ein unabhängiger Staat Palästina entstehen soll. Die Vereinten Nationen forderten zuletzt im Dezember 2016 mit einer Resolution den sofortigen Stopp des Siedlungsausbaus.

Religiöse und politische Argumentation

Israel argumentiert, das Gebiet habe bei seiner Eroberung keinem anderen Staat gehört, Jordanien habe es zu der Zeit illegal annektiert gehabt. Daher handle es sich um "umstrittenes" Gebiet. Viele Siedler berufen sich zudem auf die Bibel und sagen, Gott habe dem Volk Israel das Land als Heimat versprochen.

Israel unterscheidet zwischen Siedlungen, die mit Genehmigung der Regierung entstanden, und wilden Außenposten. Das israelische Parlament hat in der vergangenen Woche ein Gesetz erlassen, um rückwirkend rund 4.000 Siedlerwohnungen auf palästinensischem Privatland zu legalisieren. Damit soll die Räumung der Unterkünfte verhindert werden. Die Landbesitzer sollen entschädigt werden.

In Sachen Iran scheinen sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und US-Präsident Donald Trump einig. Doch wie sich Israel im besetzten Westjordanland verhält, sorgte vor dem Treffen der beiden Politiker am Mittwoch in Washington bereits für Ärger. Der Umgang mit dem Iran und der mit den Palästinensern waren in der Vergangenheit die größten Konflikte zwischen den USA und Israel. Vor allem in der Frage des Nahostkonfliktes zeichnen sich aber auch neue Punkte mit Eskalationspotenzial ab:

ATOMABKOMMEN MIT DEM IRAN

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und US-Präsident Donald Trump gehören zu den vehementesten Kritikern des unter Trumps Vorgänger Barack Obama abgeschlossenen Abkommens. Netanyahu hat neue Sanktionen für Israels Erzfeind Iran gefordert. Allerdings könnte eine Eskalation zwischen den USA und Iran letztlich Israel schaden. "Es braucht nur sieben Minuten für eine iranische Rakete, um Tel Aviv zu treffen", drohte ein Mitglied des iranischen Parlamentes kürzlich.

VERLEGUNG DER US-BOTSCHAFT IN ISRAEL

Trump hat wie mehrere seiner Vorgänger versprochen, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Dies wäre für die Palästinenser ein rotes Tuch, da sie Ost-Jerusalem als Hauptstadt für ihren Staat Palästina wollen. Trump hat sich aber bereits wieder ein wenig von seiner Ankündigung distanziert: Er denke über eine Verlegung nach, dies sei keine einfache Entscheidung, sagte er kürzlich in einem Zeitungsinterview. Trump dürfte auch nicht daran gelegen sein, zum Beispiel Jordaniens König Abdullah mit einer solchen Entscheidung vor den Kopf zu stoßen.

AUSBAU DER SIEDLUNGEN IM WESTJORDANLAND

Die rechts-religiösen Kräfte in der israelischen Regierung hoffen, unter Trump den Siedlungsausbau im Westjordanland vorantreiben zu können. Sie träumen von einer Annektierung des Gebietes. Seit Trumps Amtsantritt hat Israel den Bau von rund 6000 weiteren Siedlerwohnungen angekündigt. Als Netanyahu auch noch die Gründung einer neuen Siedlung versprach, distanzierte sich die US-Regierung von den Plänen. Es könne sein, dass der Ausbau der Siedlungen nicht hilfreich sei, um Frieden in Nahost zu schaffen, sagte Trumps Sprecher Sean Spicer.

ZWEI-STAATEN-LÖSUNG

Nicht endgültig geklärt ist, wie Trump zur Zwei-Staaten-Lösung für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern steht. Bei dieser Lösung soll ein unabhängiger Staat Palästina neben Israel entstehen. Mittlerweile scheint sich Trump als Unterstützer zu positionieren. Rechts-religiöse Vertreter der israelischen Regierung fordern Netanyahu allerdings dazu auf, die Idee öffentlich zu begraben.

ANTISEMITISMUS-VORWÜRFE GEGEN US-REGIERUNG

Unter anderem amerikanische Juden reagierten empört, als die US-Regierung in ihrer Erklärung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag Ende Jänner die sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust nicht erwähnte. Vorwürfe deswegen wies Trumps Sprecher Spicer später zurück. Netanyahu wurde in Israel dafür kritisiert, sich nicht öffentlich zu diesem Thema geäußert zu haben.

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