Netanyahus heikler Balanceakt in Washington

Joe Biden umarmt Benjamin Netanjahu vor einer Gruppe von Kameraleuten.
Inmitten der Politturbulenzen trifft Israels Premier US-Präsident Biden und hält eine mit Spannung erwartete Rede vor dem US-Kongress.

Mit seinem Rückzug aus dem US-Wahlkampf hat US-Präsident Joe Biden nicht nur die amerikanische Innenpolitik aufgemischt. Auch die Außenpolitik ist betroffen.

Am Montag landete Israels Premier Benjamin Netanyahu deshalb in einem chaotischen Washington zu einem vor Monaten angesetzten Staatsbesuch. Mit einem Austausch der Kandidaten wird es der Gast aus Israel noch um einiges schwerer haben. 

„Wer immer  die Wahlen gewinnen wird“, so Netanyahu vor seiner Abreise, „Israel wird der zuverlässigste US-Verbündete in Nahost bleiben.“ Also alles wie gehabt im diplomatischen Miteinander der USA mit Israel. Doch nicht alle Kenner der Beziehungen beider Länder stimmen dem vorbehaltlos zu.

„Mit Joe Biden geht eine ganze Generation“, meint die israelische Tageszeitung "Maariv". Biden erinnere sich noch lebhaft an den Holocaust. Was für die nachrückende Generation nicht mehr uneingeschränkt gelte. „Langfristig wird dies spürbar werden.“

Nur so lasse sich auch die breite Unterstützung Bidens für Israel nach dem blutigen Angriff der Hamas auf Israels Süden am 7. Oktober 2023 erklären, meint die Zeitung. Dennoch beharrte der US-Staatschef auf zwei Punkten:  Ziel müsse  ein baldiges Abkommen zur  Befreiung aller Geiseln sein und eine anschließende Einstellung der Kämpfe im Gazastreifen.

Bis zu den Wahlen im November wird sich daran nichts ändern. Was ihm Joe Biden beim Empfang im Weißen Haus noch einmal persönlich sagen dürfte. Das sind freilich Forderungen, die Netanyahu ablehnt.

Sein wichtigster Termin wird aber am Mittwoch seine Rede vor dem US-Kongress sein. Wird er wie 2015 wieder einseitig für Donald Trump Partei ergreifen? Zum zweiten Mal einen wichtigen Grundsatz der israelischen US-Diplomatie verletzen: Sich nicht auf eine Seite stellen.

Benjamin Netanjahu spricht vor dem US-Kongress, während er Applaus erhält.

Netanyahu bei seiner Rede vor dem US-Kongress 2015

Netanyahus Sympathien für Trump sind kein Geheimnis. 2015 begründete er die einseitige Parteinahme mit seiner Ablehnung des Nuklearabkommens mit dem Iran. Was sich im Nachhinein als Fehler erwies.

Der Iran nutzte die spätere Beschränkung des Abkommens durch Trump aus und beschleunigte  die Entwicklung einer Atombombe. 

Iran gestärkt

1.200 Tote Israelis (nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober) und die Evakuierung der Bevölkerung im Norden Israels (nach Attacken der Hisbollah im Südlibanon) zeigen deutlich: Netanyahus Politik hat den Iran und seine Verbündeten in Gaza und im Libanon stärker als je zuvor gemacht. 

Derzeit ist nicht einmal endgültig klar, welche Kandidaten im November überhaupt gegeneinander antreten. Trotz aller Sympathien Netanyahus für Trump, sollte er diesen nicht vorschnell als „pro-israelischer“ im Vergleich zu Kamala Harris einstufen.

Nach der Massakrierung von 1.200 Menschen am 7. Oktober zeigte Biden seine Solidarität mit Israel sofort durch einen persönlichen Besuch. Donald Trump bekräftigte hingegen seine „ganz persönliche Enttäuschung“ über Netanyahu. Hatte der doch Biden zum Sieg gegen Trump gratuliert. Trump: „Ich werde das nicht vergessen.“

Donald Trump spricht vor einer Menschenmenge in einem Mikrofon.

Trump ist sauer auf Netanyahu - weil dieser Biden 2020 zum Wahlsieg gratuliert hat

Israels Regierungschef steht somit vor einem Dilemma: Aussöhnung mit Donald Trump oder Neustart mit Kamala Harris? Bis zu einer Klärung der Kandidatenfrage und eigentlich auch danach hieße das: In beide Richtungen nicht anecken, alle Optionen offenhalten.

Doch die Ultra-Rechten in Netanyahus Regierung haben sich bereits entschieden. Sie haben offen ihre Sympathien für Trump erklärt. Mehr als das: Sie haben auch ihre Abneigung gegen Harris öffentlich geäußert. Harris’ Nähe zum progressiven Flügel der Demokraten ist ihnen verdächtig.

Verschwörungstheorie

Die Vizepräsidentin erntete bei ihrer Rede vor den teilweise pro-palästinensischen Progressiven tatsächlich einigen Jubel. Der aber erlosch, als sie dort auch  ihre uneingeschränkte Solidarität mit Israel bekräftigte.

Unter einschlägig bekannten Antisemiten gilt Harris sogar als „aktiver Teil der jüdischen Weltverschwörung“. Ist sie doch mit einem Juden verheiratet.

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