Nachhaltiger Champagner: Warum Reben liebevoll umsorgt werden sollten
von Simone Weiler
Es ist feine Maßarbeit, die Hugues Poret täglich leistet, wenn er durch seine Parzellen geht und den Kopf zwischen die Weinreben steckt. Er sieht nach jeder Einzelnen und legt, je nach Jahreszeit, Hand an.
Ab Mai entfernt er Knospen, die nicht fruchtbar sind. Im Frühsommer geht es an die „Palissage“, bei der die Triebe getrennt und zwischen Drähte geklemmt werden, um die Belüftung der Blätter zu garantieren, was vor Fäulnis und Krankheiten schützt.
"Gründungsakt" für die Rebe
Zum Jahresende hin kümmert sich der Winzer um den Rebschnitt. „Man spricht vom ,Gründungsakt‘ für die Rebe, von ihm hängt die Qualität der Trauben und der Weinlese entscheidend ab“, sagt Poret.
45 Parzellen besitzen er und seine Frau Frédérique – kleinteilige Abschnitte, die sich auf acht Hektar verteilen und jetzt im Winter kahl daliegen. Die Weinberge ihres Hauses Duménil-Poret befinden sich nahe des Dorfs Chigny-les-Roses südlich von Reims.
„Manche Parzellen liegen auf Hängen, andere sind flach, der Sonneneinfall ist nicht gleich. Jede Rebe braucht eine für sie passende Behandlung“, erklärt Frédérique Poret.
Für das Winzer-Paar ist die Handarbeit ein unerlässlicher Bestandteil in ihrem Bemühen um Weinbau, der mit möglichst wenig Chemie auskommt. Bereits 1999 schlug der Betrieb diesen Weg ein. Die Porets bestellen den Weinberg in fünfter Generation, seit 1874 ist er im Familienbesitz. Ihr Champagner verfügt über zwei Umwelt-Zertifikate.
„Wir benutzen keine Unkrautvernichtungsmittel und kümmern uns intensiv um den Boden“, sagt Frédérique. Wo die Parzellen früher mit Plastikfolien abgetrennt waren, stehen heute kleine Mauern. Hecken oder Holzpflöcke markieren die Trennlinien.
Champagner-Rausch
Champagner erlebt seit Monaten im In- und Ausland einen spektakulären Anstieg der Nachfrage. Französische Medien fragten bereits besorgt, ob er zu den Feiertagen ausgehen könnte – undenkbar in Frankreich, wo Champagner auch bei wenig Wohlhabenden zu Weihnachten und Silvester gehört.
Ein solcher Aufschwung nach zwei Pandemie-Jahren kam auch für die Hersteller unerwartet. „Es wird keinen Mangel geben“, versicherte Maxime Toubart, Präsident der Gewerkschaft der Winzer der Champagne. Die Preise zogen jedoch an. „Vielleicht haben die Menschen mehr Lust, das Leben zu genießen?“, mutmaßt Frau Poret.
Seit 1936 handelt es sich beim Champagner um eine geschützte Herkunftsbezeichnung, um sich von anderen Schaumwein-Produkten abzuheben. Das Anbaugebiet ist geografisch klar definiert und erstreckt sich über 34.200 Hektar. Die Herstellung des Getränks folgt strikten Regeln, die im sogenannten Pflichtenheft festgelegt sind.
Für die Branche gehöre nachhaltiger Weinbau seit über 30 Jahren zu den strategischen Pfeilern, sagt Philippe Wibrotte von der Vereinigung der Winzer und Handelshäuser der Champagne. „Wir haben als erste Weinregion eine CO2-Bilanz gemacht, um den Ausstoß zu verringern.“ Nun verfolge man das Ziel, dass das gesamte Anbaugebiet bis 2030 ein Umwelt-Zertifikat habe.
"Sexuelle Verwirrung"
Es gebe etliche Initiativen, vom sparsamen Umgang mit Wasser bis zur Reduzierung der Verpackungen, die ein Drittel des CO2-Fußabdrucks ausmachen. Das entspreche auch dem Wunsch der Kunden. In manche Länder, so Wibrotte, etwa nach Skandinavien, ließe sich das Getränk ohne Umwelt-Siegel kaum noch exportieren.
Statt auf Insektizide setzen Winzer wie die Porets auf Technik der „sexuellen Verwirrung“. Dabei platzieren sie Ampullen mit Sexuallockstoffen zwischen den Reben, welche verhindern, dass männliche Raupen ihre Weibchen finden können – sie werden „verwirrt“ und Nachwuchs bleibt aus. Inzwischen wird die Methode in der Champagne auf rund 40 Prozent der Fläche erfolgreich verwendet.
Die Klimaerwärmung wirkt sich bislang nicht negativ auf die Reben aus, da diese Hitze mögen. Doch der Geschmack verändert sich. „Die Säure erlaubt einem großen Wein eine lange Alterung im Keller, doch bei steigenden Temperaturen hat man mehr Zucker und weniger Säure“, erklärt Frédérique Poret.
Trotz der heißen letzten Jahre sei ihr Champagner aber weiter rund und „gourmand“. Gourmand, das Wort, das keine echte Entsprechung im Deutschen hat, meint schmackhaft, köstlich, deliziös. So wie es dem Image entspricht, das seine Hersteller dem Champagner geben wollen: Als Getränk für besondere Momente.
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