Mehrheit der Franzosen misstraut Le Pen

Lokalwahlen: Der "Front National" scheiterte an einer parteiübergreifender Ablehnung.

Aus der Ferne betrachtet mag Frankreichs Polit-Geschehen einigermaßen verwirrend erscheinen. Da wird monatelang der Aufstieg von Marine Le Pen als quasi unaufhaltbar wahrgenommen, um dann plötzlich, beim Ausgang der landesweiten Wahlen für Frankreichs urtümlichste Verwaltungseinheit, die Departements, zu erfahren, dass ihr "Front National" (FN) gehörig floppte.

In keinem einzigen der insgesamt 101 Departements kam der FN vergangenen Sonntag im zweiten Durchgang dieser Wahlen ans Ruder. Von 2000 zu vergebenden Grund-Mandaten errang der FN sage und schreibe 66. Dabei war der FN im ersten Wahlgang eine Woche zuvor auf ein Viertel der Wählerstimmen gekommen, nachdem er bei den EU-Wahlen im Vorjahr ebenfalls 25 Prozent erlangt hatte – ein Rekord-Ergebnis, das den FN dazu verleitete, sich auf Plakaten als "Erste Partei Frankreichs" zu feiern.

Jetzt aber triumphierte der konservativ-liberale Block des erst kürzlich in die Politik zurückgekehrten Ex-Staatschefs Nicolas Sarkozy, den Rivalen und allen voran Marine Le Pen bereits politisch totgesagt hatten. Der talentierte Stegreif-Redner absolvierte eine ebenso untergriffige wie rechtslastige Intensiv-Kampagne. Danach erlangte sein bürgerlicher Block eine satte Mehrheit von 66 Departements und halbierte damit die vormalige SP-Mehrheit.

Job-Misere

Aber gemessen an der Enttäuschung und dem Frust, der Präsident François Hollande nach drei Amtsjahren und einem steten Anstieg der Arbeitslosenzahlen (von drei auf 3,5 Millionen) entgegenschlägt, grenzt sogar das Bewahren von 31 Departements für die Sozialisten an ein Wunder. Das Mysterium verdichtet sich, wenn man berücksichtigt, dass eines dieser SP-Departements ein Neugewinn ist – etwas was dem Umfrage-Favoriten FN verwehrt blieb.

Wie passt das zusammen? Eine wichtige Rolle spielte das Wahlsystem, bei dem pro Kanton (die Grundeinheit, aus der sich die Departements zusammensetzen) im zweiten Durchgang nur ein Mandat vergeben wird, und zwar an die örtlich stärkste Partei. Die für die übrigen Parteien abgegebenen Stimmen sind praktisch verloren, es gibt kein Reststimmenverfahren. So gingen etliche FN-Kandidaten mit sehr hohem Stimmenanteil (bis zu 40 Prozent) unter.

Das bedeutet aber auch, dass der FN trotz seines berauschenden Anstiegs noch immer von einer partei-übergreifenden Mehrheit der Franzosen abgelehnt oder zumindest mit schwerem Misstrauen beäugt wird. Linke Wähler stimmen notfalls für bürgerliche Kandiaten, oder bürgerliche Wähler für linke Kandidaten, um einen FN-Sieg zu verhindern. Dieser schwächelnde, aber noch immer stellenweise aufrechte "republikanische Schutzwall" (so die in Frankreich geläufige Terminologie) rückt die Perspektive eines künftigen Machtantritts von Marine Le Pen wieder in den Bereich rechtsrechter Illusionen – vorerst. Damit aus diesem "vorerst" ein "nie" wird, gibt es nur eine Lösung: Eine Trendumkehr auf dem dahinsiechenden französischen Arbeitsmarkt.

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