Nach Syrien-Gefechten: Zwischen Putin und Erdoğan brodelt es
Sechs Tote nach einem Angriff der syrischen Armee – im fast neun Jahre andauernden Bürgerkrieg eine Routinemeldung. Doch in diesem Fall handelt es sich um türkische Soldaten, die von Assad-Truppen getötet wurden – und das birgt Sprengpotenzial: Die Türkei startete postwendend Vergeltungsangriffe, tötete nach eigenen Angaben 76 syrische Soldaten, verstärkte ihre Präsenz in der syrischen Provinz Idlib.
Eine solche direkte Konfrontation zwischen dem Assad-Regime und der Türkei gab es bisher noch nicht. Und sie könnte noch viel größere Auswirkungen haben, als ohnehin schon. Zwischen der Assad-Schutzmacht Russland und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kriselt es, Erdoğan schickte zeitgleich mit den Vergeltungsschlägen eine Mahnung an Wladimir Putin, sich den Angriffen nicht in den Weg zu stellen.
Die jüngsten Vorfälle werden mehr und mehr zu einer Belastungsprobe zwischen Moskau und Ankara – beide Seiten haben grundlegend verschiedene Interessen, konnten diese bislang ausklammern. Dennoch wird Erdoğans Rhetorik härter: „Diejenigen, die die Entschlossenheit der Türkei mit dieser Art niederträchtiger Angriffe auf die Probe stellen, werden begreifen, dass sie einen großen Fehler begangen haben“, donnerte der türkische Präsident.
Damit ein Beschuss von türkischen Soldaten durch die syrische Armee nicht passiert, meldet Ankara eigentlich seine Bewegungen in Idlib nach Moskau. Das war dieses Mal laut Russland nicht geschehen, weswegen es zum Beschuss auf Türken durch Assad-Truppen gekommen sei. Die syrische Armee habe gegen „Terroristen“ vorgehen wollen.
Hoher Flüchtlingsdruck
Damit sind die islamistischen El Kaida-Milizen gemeint, die fast ganz Idlib kontrollieren und von der Türkei unterstützt werden.
Sollte es zu einem Bruch zwischen der Türkei und Russland kommen, säße Putin voraussichtlich am längeren Hebel: Nachdem das türkische Militär 2015 ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte, belegte Moskau die Türkei mit scharfen Sanktionen – bis Erdoğan klein beigeben musste.
Allerdings will der türkische Präsident mit seinem Engagement in Idlib die starken Flüchtlingsbewegungen in die Türkei eindämmen: Bereits jetzt halten sich vier Millionen geflohene Syrer in der Türkei auf, 400.000 stehen vor den Toren. Mit jedem Angriff der Assad-Truppen auf Idlib werden es mehr.Armin Arbeiter
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