Schottland: Sturgeon will Zeit schinden
Die schottische Regierung hat am Donnerstag wie erwartet einen Gesetzesentwurf für ein erneutes Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien vorgelegt. Ein Datum wurde allerdings noch nicht fixiert. Aus gutem Grund, sagt die Politologin Melanie Sully, Direktorin des in Wien ansässigen Instituts für Go-Governance.
Der Gesetzesentwurf ähnelt dem Gesetz zum Unabhängigkeitsreferendum von 2014. Die Schotten hatten damals ebenfalls über eine Loslösung von London abgestimmt. Die Mehrheit sprach sich allerdings für den Verbleib im Vereinigten Königreich aus.
Nach dem Brexit-Votum im Juni hatte die Regierungschefin Nicola Sturgeon ein erneutes Referendum angekündigt. Nun erklärte sie, ihre Regierung sei immer noch bereit, mit der britischen Regierung über die künftige Beziehung zur Europäischen Union zu verhandeln, die für das gesamte Vereinigte Königreich gelte. Außer es stellt sich heraus, dass die Interessen Schottlands nur durch seine Unabhängigkeit gewahrt werden könnten, "dann muss die schottische Bevölkerung die Möglichkeit haben, diese Frage erneut zu stellen, und dies, bevor das Vereinigte Königreich die EU verlässt".
Zeit bis März überbrücken
Nach Ansicht der britischen Politologin Sully will Sturgeon Zeit schinden. Das Gesetz gehe vorerst in Begutachtung. Das braucht alles seine Zeit. Sturgeon stehe unter Druck durch die Radikalen in ihrer Partei. Die Regierungschefin stehe dabei zwischen den Fronten, sagt Sully. In der Bevölkerung seien nämlich viele Referendums-müde.
Die Gefahr sei groß, dass Schottland bei einer Loslösung beide Binnenmärkte verlieren könnte, EU und Großbritannien, deshalb mag Sturgeon nicht hetzen, sagt Sully. Außerdem braucht die Schottin die Erlaubnis aus London für ein derartiges Referendum, die sei derzeit fraglich. Insofern wolle Sturgeon wohl vorerst abwarten, bis London eine Brexit-Strategie festlegt, ist Sully überzeugt, und erst dann handeln.
Gut also, dass sich der Prozess rund um ein mögliches schottisches Unabhängigkeitsreferendum ziehen wird. Mit der Begutachtung kann das bis Jänner oder länger dauern.
Votum im Juni
In dem Referendum am 23. Juni hatte die Bevölkerung des Vereinigten Königreiches mit rund 52 Prozent für den EU-Austritt gestimmt. Die Schotten allerdings votierten mit 62 Prozent für einen Verbleib - ihnen droht nun aber, gemeinsam mit dem Rest des Königreichs, den Staatenbund verlassen zu müssen.
Die britische Premierministerin Theresa May will den EU-Austritt ihres Landes bis Ende März in Brüssel beantragen, für die anschließenden Verhandlungen gilt eine Zweijahresfrist.
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