Nach Absage an Türkei: Bombendrohung in Rathaus von Gaggenau

Polizei in Gaggenau
Der Anrufer begründete die Drohung mit der Absage eines Auftritts des türkischen Justizministers Bekir Bozdag in der Stadt. Das Rathaus wurde geräumt. Ankara: Deutsche Regierung will Erdogans Präsidialsystem verhindern. Justizminister Maas schreibt an seinen Amtskollegen.

Nach der Absage eines Auftritts des türkischen Justizministers Bekir Bozdag im baden-württembergischen Gaggenau ist im dortigen Rathaus Freitag früh eine Bombendrohung eingegangen. Der Anrufer begründete die Drohung mit dem abgesagten Ministerauftritt, wie der Leiter des Bürgerservices der deutschen Kleinstadt, Dieter Spannagel, der Nachrichtenagentur AFP sagte.

Das Gebäude wurde vorsorglich geräumt und von der Polizei durchsucht. "Wir wissen nicht, wie ernst wir diese Bombendrohung nehmen müssen", sagte Bürgermeister Michael Pfeiffer im Fernsehsender n-tv. Er gehe aber davon aus, "dass ein direkter Zusammenhang besteht" zwischen der Untersagung des Ministerauftritts (mehr dazu weiter unten) und der Drohung. Das Rathaus sei abgesperrt, die Mitarbeiter in Sicherheit gebracht worden. Die Durchsuchung durch die Polizei werde wohl mehrere Stunden dauern.

Nach Absage an Türkei: Bombendrohung in Rathaus von Gaggenau
Empty chairs are seen in front of the stage decorated with the Turkish flag on March 2, 2017 at the festival hall in Gaggenau, southern Germany, where Turkey's Justice Minister was expected as guest speaker. German local authorities on March 2, 2017 blocked rallies by Turkish ministers aimed at promoting a referendum that would expand President Recep Tayyip Erdogan's powers, citing capacity problems. The Union of European Turkish Democrats had been due to hold a rally in Gaggenau, with Turkey's Justice Minister Bekir Bozdag as the guest speaker. But Gaggenau authorities withdrew an earlier agreement for the group to rent a hall for the event, saying it did not have the capacity to host so many people. / AFP PHOTO / dpa / Christoph Schmidt / Germany OUT

Ankara: Deutsche Regierung will Erdogans Präsidialsystem verhindern

Ankara hat der deutschen Regierung vorgeworfen, das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem in der Türkei verhindern zu wollen. Berlin wolle keine Wahlkampfveranstaltungen zu der Verfassungsreform in Deutschland und keine "starke Türkei", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Freitag.

"Sie wollen nicht, dass die Türkei da Wahlkampf macht, sie arbeiten für ein 'Nein'", sagte Cavusoglu mit Blick auf das Referendum. "Sie wollen sich einer starken Türkei in den Weg stellen."

Brief von Heiko Maas

Nun schaltet sich auch der deutsche Justizminister Heiko Maas ein und richtet sich in einem Brief direkt an seinen türkischen Amtskollegen. Er kritisiert die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel deutlich, warnt die Türkei vor einem "Abbau des Rechtsstaats" - und zeigt sich enttäuscht darüber, dass ein direkter Dialog mit der türkischen Seite kaum möglich sei, berichtet der Spiegel.

Zum Fall des inhaftierten Journalisten Yücel sagt Maas: "Diese Entscheidung hat mich erschüttert. Den Umgang mit Herrn Yücel halte ich für unverhältnismäßig, zumal er sich der türkischen Justiz für Ermittlungen freiwillig zur Verfügung gestellt hatte". Maas hätte in Karlsruhe persönlich mit Bekir Bozdag sprechen wollen. Nun schreibt Maas, dass er sich große Sorgen um die deutsch-türkische Freundschaft mache und bedauert, dass es nicht zu einem Treffen mit Bozdag gekommen ist.

Maas rief die türkische Regierung auf, den Umgang mit Grundrechten, die Verhaftungen von Journalisten, Richtern und Anwälten grundsätzlich zu überdenken und warf der Türkei einen "Abbau der Rechtsstaatlichkeit" vor. "Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte hält, wird eine Annäherung an die Europäische Union immer schwieriger bis unmöglich."

Streit zwischen Berlin und Ankara nimmt an Schärfe zuer

Die Spannungen zwischen Berlin und Ankara nehmen damit immer mehr zu: Das türkische Außenministerium bestellte nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstagabend den deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, ein.

Zuvor hatte die baden-württembergische Stadt Gaggenau einen Wahlkampfauftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag aus Sicherheitsbedenken abgesagt. Bozdag selbst ließ daraufhin ein Treffen mit Justizminister Heiko Maas platzen. Darüber hinaus lehnte die Stadt Köln eine Anfrage für einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci am Sonntag ab.

Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara ist wegen der Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel derzeit ohnehin belastet. Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, sprach nach dem Auftrittsverbot für Bozdag von einer "Skandal-Entscheidung". "Mit solchen Entscheidungen kommt das wahre Gesicht derjenigen offen zum Vorschein, die bei jeder Gelegenheit versuchen, der Türkei Lektionen in Demokratie und Meinungsfreiheit zu erteilen."

Auch Bozdag reagierte empört: "Das kann man nicht Demokratie nennen", schimpfte der Minister und sagte ein Treffen mit Maas ab. Der SPD-Politiker hatte mit Bozdag in Karlsruhe über den inhaftierten Yücel sprechen wollen.

Nach Absage an Türkei: Bombendrohung in Rathaus von Gaggenau
(FILES) This file photo taken on February 18, 2017 in Oberhausen, western Germany, shows participants waving Turkish flags duering an event with the Turkish Prime minister Binali Yildirim to promote support for an April 16, 2017 constitutional referendum in on expanding President Recep Tayyip Erdogan's powers. German local authorities on March 2, 2017 blocked rallies by Turkish ministers aimed at promoting this referendum, as the Union of European Turkish Democrats had been due to hold a rally later in the day in the western town of Gaggenau, with Turkey's Justice Minister Bekir Bozdag as the guest speaker. / AFP PHOTO / Sascha Schuermann
Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Entscheidung über Zulassung oder Verbot von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker in Deutschland liege alleine bei den Kommunen. Weder die Länder noch die Bundesregierung hätten die Kompetenz festzustellen, ob eine Veranstaltung ohne Störung der öffentlichen Sicherheit stattfinden könne. "Es wäre uns gar nicht rechtlich möglich, eine solche Entscheidung als Bundesregierung zu treffen."

Gaggenaus Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) sagte zur Absage, der Schritt der Kommune sei keine politische Entscheidung. Es sei zunächst nicht bekannt gewesen, dass der türkische Minister kommen solle. Es sei nun aber zu befürchten, dass wegen seines umstrittenen Wahlkampfauftritts mehr Menschen kämen, als die Halle mit ihren 500 Plätzen fassen könne.

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach begrüßte die Absage. Diese könnte für andere Wahlkampfveranstaltungen türkischer Regierungsmitglieder hierzulande als Vorbild dienen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung (Freitag). "Die Bundes- und Landesregierungen müssen alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten nutzen, um solche Veranstaltungen zu untersagen." CDU-Vize Armin Laschet sagte der Rheinischen Post (Freitag), Außenminister Gabriel müsse klar machen, dass der türkische Wahlkampf in deutschen Städten zu beenden sei.

"Es gibt keinen Mietvertrag für diese Veranstaltung am 5. März und es wird auch keinen geben"

Die Stadt Köln lehnte einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Zeybekci am Sonntag im Bezirksrathaus Köln-Porz ab. "Es gibt keinen Mietvertrag für diese Veranstaltung am 5. März und es wird auch keinen geben", sagte eine Sprecherin der Stadt. Zeybekci will laut Kölner Stadt-Anzeiger online nun am Sonntag eine Veranstaltung eines türkischen Kulturvereins im Forum Leverkusen besuchen.

Bozdag und Zeybekci wollten bei den Veranstaltungen für ein Ja bei der Volksabstimmung über das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem werben. Bei dem für den 16. April geplanten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt. Unter dem Präsidialsystem würde Erdogan mit deutlich mehr Macht ausgestattet. Weite Teile der türkischen Opposition befürchten eine Ein-Mann-Herrschaft.

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