Moskau hofft auf zweite Kiew-Offensive im Herbst
Im Westen ist der Tenor einhellig: So, wie sich Wladimir Putin den Ausgang seines Krieges vorgestellt hat, wird er definitiv nicht enden. Kiew ist in ukrainischer Hand, der Westen der Ukraine ohnehin – ein Sieg auf ganzer Linie ist für Russland nicht denkbar.
Im Kreml ist man da offenbar anderer Meinung. Das Investigativportal Meduza schreibt unter Berufung auf Insider, dass Moskau mit einer gewissen Kriegsmüdigkeit im Westen rechnet – „früher oder später wird Europa aufhören zu helfen, sowohl mit Geld als auch mit Waffen“, wird eine Quelle zitiert.
Vollinvasion
Spätestens im Herbst, wenn die Heizsaison beginnt, werde man auch wieder mit Moskau über Gas und Öl verhandeln müssen. Dann sei nach einer Neuaufstellung der Streitkräfte das eigentliche Kriegsziel wieder erreichbar – nämlich die Vollinvasion samt Eroberung der Hauptstadt. „Wir werden die Ukrainer ohnehin zermalmen. Spätestens im Herbst ist alles vorbei.“
Freilich, da ist viel Propaganda dabei – der Kreml streut diese auch gern über unabhängige Medien, die im Ausland gelesen werden. Im Generalstab und im Verteidigungsministerium hat man bisher nämlich kategorisch ausgeschlossen, dass Kiew ohne massives Blutvergießen auf beiden Seiten einnehmbar ist; dazu müsste die Stadt gehalten werden – das ist nur mit massiver Soldatenpräsenz möglich.
Im russischen TV wird die Möglichkeit, Kiew doch noch einzunehmen, stets als reale Option dargestellt – auch das ist schlicht Propaganda.
Minimalziel Donbass
Gewälzt werden im Kreml laut russischen Medien aber auch Minimalpläne. So soll die Einnahme des Donbass in seinen Oblast-Grenzen – also etwa doppelt so viel wie die Separatisten bisher besetzt hielten – als Minimalziel definiert worden sein. Das hat die russische Armee schon fast erreicht: Nur noch fünf Prozent des Oblasts Lugansk und weniger als die Hälfte des Oblasts Donezk sind in ukrainischer Hand.
Zuletzt begannen die russischen Streitkräfte zudem, die letzte größere Stadt im Donbass zu erstürmen. Die 100.000-Einwohner-Stadt Sewerodonezk soll zu einem Drittel in russischer Hand sein. Dort sind – ähnlich wie in Mariupol – Zivilisten gefangen: Etwa 12.000 seien ohne Lebensmittel, Wasser oder Strom, so Hilfsorganisationen.
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