Mord an Journalisten beiheikler Recherche: Kalt abserviert?

Mord an Journalisten beiheikler Recherche: Kalt abserviert?
Im Mordfall um drei Russen in der Zentralafrikanischen Republik führt eine Spur zu Jewgeni Prigoschin - also ins Umfeld um Putin

Im vergangenen Juli machen sich drei russische Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik (CAR) auf den Weg, um zu Aktivitäten einer mysteriösen russischen Söldnertruppe in einem der ärmsten und gefährlichsten Ländern Afrikas zu recherchieren. Knapp nachdem sie die Stadt Sibu verlassen haben, geraten Orkhan Dzhemal, Alexander Rastorgujew und Kirill Radschenko in einen Hinterhalt. Die drei sterben, ihr Fahrer überlebt.

Ein Raubüberfall, so die Darstellung des russischen Außenministeriums – die schon damals von vielen Seiten angezweifelt wurde. Schließlich finanzierte Michail Khodorkowski die Recherchen der drei. Jener politisch umtriebige Oligarch also, den Russlands Staatschef Wladimir Putin zu Fall brachte, der inhaftiert und begnadigt wurde und der sich jetzt – nachdem sein Unternehmensimperium Geschichte ist – aus dem Ausland politisch gegen den Kreml engagiert. Und schließlich war es auch nicht das erste Mal, dass Journalisten bei Recherchen zur russischen Söldnertruppe Wagner unter sonderbaren Umständen starben.

Es ist die ebenfalls von Khodorkowski finanzierte Rechercheplattform Dossier, die seit dem Mordanschlag die Hintergründe der Tat recherchiert hat – und die jetzt mit schwerwiegenden Vorwürfen an die Öffentlichkeit ging. Vorweg: Dossier fordert eine internationale Untersuchung des Dreifachmordes und ortet die Drahtzieher im engsten Umfeld Putins. Diesen Schluss zieht Dossier vor allem nach der Auswertung zahlreicher Mobiltelefon-Aufzeichnungen und den Aussagen von Soldaten.

Wagner ist eine mysteriöse Schattenarmee mit besten oder direkten Beziehungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU. Wagner ist in der Ukraine immer wieder aufgetaucht, in Syrien, dem Vernahmen nach jetzt auch in Somalia und eben auch in der CAR. Hinter Vagner soll der russische Tycoon Jewgeni Prigoschin stehen, dem allerbeste Beziehungen zu Putin nachgesagt werden. Sein Spitzname: Putins Koch. Er betreibt ein Catering-Unternehmen, besitzt ein Firmengeflecht zu dem eine Öl-Firma zählt (die jetzt in Syrien beste Geschäfte macht) und soll auch hinter einer Troll-Fabrik in St. Petersburg stehen. Die USA beschuldigen ihn daher auch der Einmischung bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und haben den Tycoon mit Sanktionen belegt.

Mord an Journalisten beiheikler Recherche: Kalt abserviert?

Kirill Radschenko, Alexander Rastorgujew und Orkhan Dzhemal - Angehörige und Vertraute glaubten nie an einen Raubüberfall

Aber zurück zur Tat: Beim Verlassen der Stadt Sibu passierten die Journalisten einen Checkpoint. Soldaten, die dort an diesem Abend Dienst hatten, berichteten Dossier von einem zweiten Fahrzeug, dass kaum 20 Minuten später und etwas weniger als eine Stunde vor den tödlichen Schüssen passiert hätte. Einer der fünf Insassen wurde dabei von den Soldaten laut Dossier als Emmanuel Kotofio identifiziert – ein Mitglied des Sicherheitsdienstes der CAR.

Soweit so gut. Aber: Wie Dossier herausgefunden hat, war Kotofio im Juli und August 2018 in praktisch ständigem Kontakt zu einem Mitarbeiter Prigoschins in der CAR. Name: Aleksandr Sotow. 98 Telefonanrufe zwischen den beiden sind dokumentiert. Sotow wiederum war intensiv mit einem Russen in Kontakt, der als Wagner-Mitarbeiter und Prigoschin-Vertrauensmann gilt und für die Regierung der CAR als Sicherheitsberater tätig ist. Zudem dürften der Reporterhelfer sowie der Fahrer der Journalisten indirekt über einen Vertrauensmann Prigozhins angeheuert worden sein.

Die Schlussfolgerung von Dossier: Orkhan Dzhemal, Alexander Rastorgujew und Kirill Radschenko seien bei ihrer Reise in der CAR ununterbrochen unter Beobachtung von Personen gestanden, die in ständigem Kontakt zu Wagner oder Prigoschin nahestehenden Personen waren. Und als die tödlichen Schüsse auf sie fielen, war ein hochrangiges Mitglied des nationalen Sicherheitsdienstes zumindest in unmittelbarer Umgebung. Der Fahrer der drei – der einzige Überlebende – dürfte ebenfalls in Kontakt zu Prigoschin-nahen Personen gewesen sein. Prigoschins Umfeld sei jedenfalls bereits bei der Vorbereitung der Reise alarmiert gewesen.

Dossier spricht von einem Mordanschlag, der intensiv und bestens vorbereitet gewesen sei. Das Ziel, so Dossier: Die Recherchen der drei Reporter zu den Aktivitäten der Söldnertruppe Wagner verhindern und Informationen darüber generieren, was die Journalisten bereits über Waffenhandelt und die Aktivitäten privater Sicherheitsfirmen in der Region wussten.

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