Neuwahl in Spanien: Warum Pedro Sánchez jetzt nach vorne flieht

Lange war er ein Hoffnungsträger der europäischen Linken: Pedro Sánchez, Spaniens sozialistischer Ministerpräsident. Am Montag rief er eine vorgezogene Parlamentswahl für den 23. Juli aus, nur wenige Stunden, nachdem sein linkes Bündnis bei den Regionalwahlen schwere Niederlagen erlitten hatte. Das Parlament sollte eigentlich erst Ende des Jahres gewählt werden. „Ich übernehme persönlich die Verantwortung für die Wahlergebnisse“, sagte Sánchez.
Die Neuwahl kommt zu einem turbulenten Zeitpunkt: Am 1. Juli übernimmt Spanien für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Ob Sánchez wieder als Spitzenkandidat antritt, das gab er zunächst nicht bekannt.
Bei den Lokalwahlen ist etwas geschehen, was in dem Ausmaß kein Meinungsforschungsinstitut vorausgesagt hatte. Die vor einem Jahr noch kriselnde konservative Volkspartei (PP) gewann fast überall. Künftig könnte sie zwölf der 17 Comunidades Autonomas – quasi Bundesländer – regieren. Zudem gewannen die Konservativen in sieben der acht größten Städte. Das hat es seit der Gründung von PP und Sanchez’ PSOE nach Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 noch nie gegeben.
In Madrid gab es sogar einen doppelten PP-Triumph. Die regionale Regierungschefin Isabel Diaz Ayuso und der regierende PP-Bürgermeister Jose Luis Martinez-Almeida errangen erstmals absolute Mehrheiten. Man sagt, Madrid sei ein Gradmesser für die landesweite Stimmung.

Triumph für die Konservativen in Madrid: Isabel Díaz Ayuso und PP-Bürgermeister Martínez-Almeida
Sánchez droht im Juli also die Abwahl. Dabei konnte seine Minderheiten-Regierung – bestehend aus sechs linken Parteien – in den mehr als drei Jahren, die sie jetzt im Amt ist, doch zahlreiche Erfolge verbuchen. Eine ihrer ersten Herausforderungen war die Corona-Pandemie, die sie gut meisterte. Beim Klimaschutz gilt die Regierung Sánchez als sehr ehrgeizig. Und spätestens seit sie die Mehrwertsteuer auf Tampons senkte sowie ein Gesetz für freie Tage bei Menstruationsbeschwerden verabschiedete, ist Madrid ein Vorreiter feministischer Innenpolitik.
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Wirtschaftlich ist Spanien den Umständen entsprechend zur Zeit ebenfalls in Ordnung, 2022 stieg das BIP immerhin um 5,5 Prozent – wenn hierbei auch die Milliardenhilfen der EU eine große Rolle spielen.
Gründe für die Schlappe
Alles in allem also keine schlechte Bilanz für das Regierungsbündnis. Womit also ist diese Wahlschlappe am Wochenende, dieser politische „Tsunami“ – so titelte die renommierte Zeitung El Mundo – zu erklären?
Da ist einerseits die Arbeitslosigkeit, die im Europa-Vergleich in Spanien hoch ist. Auch die Inflation, die Folgen des Ukraine-Kriegs und mehrere Affären trieben Sánchez zunehmend in die Enge. Als Fiasko erwies sich etwa ein neues Sexualstrafrecht. Es sollte das Vorzeigeprojekt der Regierung sein. Doch plötzlich öffnete es Dutzenden Sexualverbrechern vorzeitig die Zellentüren – und führte zu einem Regierungsstreit.
Sánchez’ Hauptproblem
Das größte Problem von Sánchez sind vor allem die Parteien links von der PSOE, die bisher als Koalitionspartner oder Unterstützer fungierten. Sie sind mittlerweile tief zerstritten. Der linksalternative Koalitionspartner Unidas Podemos verlor am Sonntag einen Großteil der Wähler, die Sozialisten selbst hingegen verloren landesweit in den Kommunen nur einen Prozentpunkt.
So könnte es passieren, dass die Linken nach der Wahl im Juli von den Konservativen abgelöst werden – aber nicht nur. Die PP ist vielerorts auf die Unterstützung der Rechtspopulisten von der Partei Vox angewiesen.
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