"Trump müsste Krieg mit Russland riskieren"

Russische Luftwaffe bombardiert für Assad
Nach Giftgasangriff droht Präsident mit militärischem Eingreifen in Syrien. US-Sicherheitsexperte warnt.

Update: In der Nacht auf Freitag ordnete Trump in Reaktion auf den jüngsten Giftgaseinsatz in Syrien den Angriff auf eine syrische Luftwaffenbasis an. Der Stützpunkt wurde durch Marschflugkörpern größtenteils zerstört. Es handle sich um ein "einmaliges" Ereignis, sagte ein Sprecher der US-Regierung.

Das Säbelrasseln könnte kaum lauter sein. Nach dem Giftgasangriff in der syrischen Stadt Idlib macht die US-Regierung die Armee von Machthaber Assad verantwortlich und droht mit militärischem Eingreifen. Man werde diesen "Affront gegen die Menschlichkeit" nicht hinnehmen, tönte der US-Präsident und nahm Anleihe bei Amtsvorgänger Obama. Assad habe nicht eine, sondern "eine ganze Reihe von roten Linien" überschritten. Er werde "auf jeden Fall ein Zeichen erhalten".

Obama ließ 2013, ebenfalls nach einem Giftgasangriff, die US-Luftwaffe rund um Syrien in Stellung gehen. Nur um dann im letzten Moment vor einem Angriff zurückzuschrecken. Nicht ohne Grund, wie der US-Experte für Sicherheitspolitik, James Davis, gegenüber dem KURIER erläutert: "Obama hat erkannt, dass das Risiko eines direkten militärischen Eingreifens in diesen komplexen Bürgerkrieg unkalkulierbar ist. Er ist es bewusst nicht eingegangen. Und dieses Risiko ist inzwischen noch viel größer geworden."

Unabsehbare Risiken

Der Grund dafür liegt für Davis, der etwa die deutsche Kanzlerin Merkel in Sicherheitsfragen beraten hat, auf der Hand: Russland ist in Syrien auf der Seite Assads massiv engagiert. Wenn Trump sich also für ein militärisches Eingreifen entscheide, "müsste er einen Krieg mit Russland riskieren".

Die russische Luftwaffe sei ständig über Syrien im Einsatz. Schon eine Flugverbotszone über Teilen des Bürgerkriegslandes einzurichten, würde unabsehbare Risiken bergen. Es könne zum Abschuss eines US-Kampfjets durch die syrische Luftabwehr – modernste russische Militärtechnologie – kommen, aber auch zum Abschuss eines russischen Fliegers. In der derzeitigen angespannten Situation könne so ein Zwischenfall eine militärische Konfrontation der beiden Supermächte auslösen.

Krieg der Worte

Vor der verbalen Konfrontation mit Moskau schreckt Washington vorerst einmal nicht zurück. Trump, so zitiert Nikki Haley, US-Botschafterin bei der UNO, den Präsidenten, "sieht Russland als Problem an". Man werde das Verhalten Moskaus "nicht durchgehen lassen".

Während die Putin-Regierung sich vorerst zurückhält, dreht ihr Verbündeter in Syrien ebenfalls auf Kollisionskurs mit den USA. Es gebe keinen Spielraum mehr für eine Verhandlungslösung in Syrien, erklärte Bashar al-Assad gegenüber der kroatischen Zeitung Vecernji List, die einzige Option sei der militärische Sieg: "Wenn wir den Krieg nicht gewinnen, wird Syrien von der Landkarte verschwinden".

Strategisch, so das Urteil von US-Militärexperten, stecke Trump in Syrien in der Sackgasse. Eigentlich wollte der US-Präsident ein militärisches Eingreifen in Syrien vermeiden. Sein einziges Ziel war, die Terrororganisation IS zu vernichten.

Das wollte man großteils Assad und seinen russischen Verbündeten erledigen lassen. US-Soldaten sind derzeit nur als Unterstützer kurdischer Kräfte in Syrien im Einsatz – in der Stärke von gerade einmal ein paar Hundert Mann. Die militärische Unterstützung anderer Rebellengruppen war schon unter Obama kläglich gescheitert. Obendrein sind die einzigen Aufständischen gegen Assad, die militärisch heute noch eine Rolle spielen, militante Islamisten.

Ein massiveres Eingreifen mit US-Bodentruppen wäre in diesem unübersichtlichen, an mehreren Fronten geführten Bürgerkrieg riskant und ohne klare Aussichten auf Erfolg.

Beschränkt sich Trump also auf verbale Attacken? Der US-Politologe Davis, derzeit an der Schweizer Eliteuni St. Gallen tätig, hält das für das Wahrscheinlichste:"Ich vertraue auf die Klugheit der US-Generäle. Die sollten ihm klarmachen, das es derzeit keine empfehlenswerten militärischen Optionen gibt." Der US-Präsident, so sein pointiertes Resümee der Trump’schen Drohgebärden, "redet oft früher als er denkt".

Syriens Präsident Baschar al-Assad gab direkt und persönlich den Befehl zum Chemie-Massaker bei Idlib, der über 100 Menschen tötete. Diese Anschuldigung machte der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman am Donnerstag in einem Interview mit der Zeitung Yedioth: „Ich stelle dies mit 100-prozentiger Sicherheit fest.“ Wohl eine Anspielung darauf, dass Syriens Kommunikationsnetze von Israels Geheimdiensten rund um die Uhr überwacht werden. Im Gegensatz zu den USA und den arabischen Nachbarstaaten vermeidet Lieberman damit keine namentliche Schuldzuweisung.
„Beide mörderischen Angriffe auf Zivilisten“, so Lieberman, „erfolgten auf direkte Anweisung und Planung des syrischen Präsidenten Assad und durch Einsatz syrischer Flugzeuge.“ Auf die Frage nach einer russischen Beteiligung erwiderte Lieberman: „Davon wissen wir nicht. Wir wissen aber wohl, dass es eine syrische Maßnahme Assads war, von A bis Z.“


Untätigkeit des Westens

Er verurteilte in scharfen Worten die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft. „Die ist gleich null. Es gibt sie nicht.“ Woraus Lieberman für Israel die Schlussfolgerung zieht, sich in Konflikten allein auf sich selbst zu verlassen. Er erinnerte auch daran, dass Israel bereits mehrfach in der Vergangenheit die nukleare Aufrüstung Syriens verhindern konnte.
Auch Experten in Israel gehen von einem Angriff mit dem Nervengas Sarin aus. Es gebe zwei Motive für das Kriegsverbrechen: Rache für Massaker durch islamistische Rebellen in der alawitischen Region um Latakia. Und militärische Vorbereitung einer Offensive gegen die Kreisstadt Idlib. Hierhin zogen sich bereits Tausende Rebellen zurück, die aus anderen Regionen Syriens vor den anrückenden Regierungstruppen flüchten mussten.
Für Assads Truppen und die Rebellen ist Idlib ein Schlüsselpunkt. Wer diese Stadt einnimmt, kann den meist von regierungstreuen Alawiten bewohnten Nordwesten Syriens absichern. Für die Rebellen ist Idlib wichtig, weil von hier aus die noch vom IS besetzten Gebiete im Nordosten leichter angreifbar sind.
Im Gegensatz zu Aleppo, sind die Rebellen in Idlib nicht gezwungen, in der Stadt Stellungen einzurichten. In Aleppo konnten sie durch Luftangriffe und Häuserkampf zermürbt werden. Die bergige Umgebung Idlibs ermöglicht es den Milizen, aus Höhlen und unzugänglichen Bergschluchten die Assad-Truppen anzugreifen. Von Luftstreitkräften sind sie hier nur schwer zu orten. Die Angriffe sollen die Rebellen zwingen, zum Schutz der bedrohten Zivilisten in deren urbaner Umgebung Stellungen aufzubauen. Sonst können solche Angriffe die Zivilbevölkerung gegen die Rebellen aufbringen.
Israels Regierung steht in ständigem Kontakt mit Moskau. Durch die russische Präsenz drohen Zusammenstöße. Schon mehrfach verhinderten israelische Kampfjets den Transport von Raketen aus Syrien an die mit Assad verbündete Schiitenmiliz Hisbollah in Libanon. Bisher griffen die israelischen Bomber in Syrien Einrichtungen an, die von Hisbollah genutzt wurden. Direkte Angriffe auf Assad-Truppen wurden vermieden. Was laut Lieberman auch so bleiben soll: „Für Syrien trägt die Weltgemeinschaft die Verantwortung.“
Norbert Jessen, Tel Aviv

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