Auffallend unspannend
Die Frage lässt sich nicht auf Wikipedia beantworten, selbst wenn mittlerweile Einträge in gut 20 Sprachen existieren. Denn die Biografie des neuen Mannes an Putins Seite ist auffallend unspannend: Politisch ist der 53-Jährige nämlich bisher kaum in Erscheinung getreten. Einzig seine Verdienste um die Digitalisierung der Behörde und um die Eintreibung von Steuermitteln kleinerer Betriebe haben ihm Schlagzeilen eingebracht; die Verwaltung habe sich dadurch „drastisch verbessert“, heißt es immer wieder anerkennend. Für seine „Verdienste um das Vaterland“ wurde Mischustin auch mit einem Orden ausgezeichnet.
Genau das dürfte aber wohl der Grund sein, warum die Wahl auf ihn fiel: „Mistuschin wirkt wie die technokratischen Premiers Anfang der 2000er Jahre“, analysiert Tatiana Stanowaja von Carnegie Russia. An Namen wie Michail Fradkow und Viktor Zubkow können sich wohl nur eingefleischte Polit-Beobachter erinnern.
„Mischustin hat weder politische Erfahrung noch bringt er Popularität bei den Wählern, und er gehört auch nicht zu Putins innerem Kreis.“ Darum scheint ihr sehr wahrscheinlich, „dass Mischustin einfach nur ein technokratischer Platzhalter ist“.
Freilich, auch Wladimir Putin wurde als solcher behandelt, als Boris Jelzin ihm vor ziemlich genau 20 Jahren die Macht im Staate übertrug. Allerdings ging dem der persönliche und politische Abstieg Jelzins voraus; dazu kam, dass der ehemalige Präsident den Petersburger Geheimdienstmann persönlich an die Spitze hieven wollte – weil er selbst keine Zukunft mehr hatte. Das ist bei Putin deutlich anders.
Millionenschwerer Beamter
Das Kalkül Putins? „Seine Logik in solchen Fällen ist die, ein paar Monate vor der Wahl den Namen eines Nachfolgers zu präsentieren“, schreibt Stanowaja. „Es ist schwer sich vorzustellen, dass ein künftiger Präsident nach vier Jahren als Premier an einer Wahlkampagne teilnimmt. Die Risiken wäre zu groß.“
Ein kleines Risiko scheint die Besetzung Mischustins dennoch zu bergen. Zwar ist der Vater von drei Söhnen weit von den Dimensionen seines Vorgängers Medwedew entfernt, der ja über eine Korruptionsaffäre um seine vielen Villen und Weingüter stolperte; arm ist er aber auch nicht gerade: Das Branchenmagazin Forbes listet ihn mit einem Einkommen von etwa 2,7 Millionen Euro auf Platz 53 der bestbezahlten Beamten Russlands.
Das rief am Donnerstag umgehend Kremlkritiker auf den Plan, die zu graben begannen - und fündig wurden. So berichtet die Investigativplattform Proekt, dass Mischustin in der noblen Moskauer Rubljowka - das ist der Vorort der Reichen und Schönen - ein Haus besitzen dürfte. Interessanterweise ist das auf 10 Millionen Dollar geschätzte Anwesen aber seit Kurzem nicht mehr ihm zugeordnet, sondern als Eigentümer sei der Staat Russland zu finden.
Nebenberufs-Komponist
Einen Teil seines Vermögens erwirtschaftet Mischustin übrigens mit einer Leidenschaft, die wenig mit seinem Job zu tun hat: Er ist Nebenberufs-Komponist – und das ziemlich erfolgreich. Mischustin schrieb für Grigorij Leps mehrere Titel, wie die Zeitung Vedomosti berichtet. Leps, ein öffentlicher Unterstützer Putins, ist nicht nur einer der bestverdienenden Musiker Russlands, er hat auch eine politisch relevante Biografie. Er steht auf der US-Sanktionsliste - weil er vor Jahren als Geldkurier gearbeitet haben soll.
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