So sollen der Mindestlohn oder die Penions-Indexierung auch in den Verfassungsrang gehoben werden; eine Abstimmung darüber enthielte dann wohl auch die Reform des Präsidialsystems.
Papa Putin
Das sind Ankündigungen, mit denen so eigentlich kein Beobachter gerechnet hat. Eigentlich ist es politische Folklore, wenn Putin einmal im Jahr vor die politische Elite des Landes tritt. Seine Rede zur Lage der Nation, die er vor den vor die Abgeordneten der Duma und der restlichen politischen Elite des Landes hält, dient der Selbstinszenierung und der Bevölkerungs-Beschwichtigung; nicht umsonst war sie heuer auf großen öffentlichen Screens, auf Flughäfen und sogar in der Raumstation ISS zu sehen.
Dass Putin die Rede früher gehalten als sonst - nicht im Frühling, sondern schon im Jänner – mag darauf hindeuten, dass er die Selbstinszenierung offenbar etwas nötiger ist als sonst. Während Russlands Präsident außenpolitisch als der große starke Mann daherkommt, kämpft er innenpolitisch an einigen Fronten. Die sanktionsbedingte wirtschaftliche Flaute und die stagnierenden Reallöhne lassen auch die sonst so Putin-treue Bevölkerung unzufrieden werden. Und das wiederum hat Auswirkungen auf sein eigenes politisches Fortkommen.
Darum tat Putin heuer etwas eher Ungewöhnliches. Er räumte ein, dass es in Russland „Veränderungen braucht“. Das Problem, das er ansprach, ist tatsächlich ein drängendes: Dem Land gehen die Kinder aus. Derzeit kommen auf jede Frau 1,5 Geburten; ein Wert, der Experten zufolge ohne staatliche Maßnahmen noch sinken wird. Jene Jahrgänge, die jetzt Kinder bekommen sollten, sind in den 1990ern geboren – und bereits da war die Geburtenrate dramatisch tief.
Staatsgeld für mehr Kinder
Lösen will Putin das Problem in einer Manier, die man von ihm kennt. Einerseits schüttet er das staatliche Füllhorn aus – künftig bekommen nicht nur Familien mit Kindern bis drei Jahre finanzielle Unterstützungen, sondern auch solche mit bis zu Siebenjährigen. Zudem soll eine Renovierungsinitiative die desolaten Schulen wieder herzeigbar machen; Schulkindern von der ersten bis zur vierten Klasse soll zudem gratis „gesunde, warmes Essen“ serviert werden. „Nicht einmal zur Sowjetzeit gab es diese Unterstützung“, sagt er.
Andererseits nimmt Putin – auch das hat Tradition - seine Regierung und die regionalen Regierungen in die Pflicht. „Liebe Gouverneure, so darf man nicht arbeiten!“, sagt er etwa mit Blick auf fehlende Kinderbetreuungsplätze. Seine Vorgabe: „2024 muss die Geburtenrate bei 1,7 Kindern pro Frau liegen, damit unser Volk nicht verloren geht.“
Reaktionen zurückhaltend
Ähnliche viel Investitionen verspricht für das Gesundheitssystem, das in Umfragen bei vielen Russen gern als mangelhaft bezeichnet wird. Dass viele Geburtenstationen unter seiner Ägide geschlossen wurden, erwähnt er da nicht – das lässt sich in den sozialen Netzwerken nachlesen: Dort sind die Reaktionen auf die Rede dann auch eher zurückhaltend. Moniert wird etwa, dass vieles von dem, was Putin hier verspricht – mehr Geld für Bildung, für Gesundheit, für Klimaschutz – schon in den Jahren zuvor zu hören war. Heftig debattiert wird nur, wie Putin mit seinem eigenes Vermächtnis umgehen wird - und da ist der Tenor klar: Loslassen von der Macht wird der 67-Jährige so schnell nicht.
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