AKK und Merz: Von Kontrahenten zu Kompagnons

Kramp-Karrenbauer und Merz sollen nun doch gemeinsame Sache machen, davon könnten beide profitieren.

Knapp 400 Leute passen in die Schützenhalle im 9.000-Einwohner-Örtchen Eslohe im Sauerland. Warum sich dort heute Abend bis zu 1000 drängen könnten, ist schnell erklärt: Es ist der erste gemeinsame Auftritt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, und Ex-Fraktionschef Friedrich Merz im Rahmen der Europawahl. Knapp fünf Monate sind vergangen, seit sie in einem zweiten Wahlgang das Rennen um den Parteivorsitz machte. Obwohl sich viele seiner Anhänger enttäuscht zeigten, es war sogar von Parteiaustritten die Rede, blieb die große Revolution aus.

Zwar ließ Wirtschaftsanwalt Merz seine Fans noch Mitte Dezember via FAZ hoffen und wissen, dass er sich ein Ministeramt zutraue, doch Angela Merkel hatte keinen Umbau in ihrem Kabinett vor. Also kündigte er im Jänner an, keine Wahlkampfauftritte für die CDU zu machen und zog sich zurück.

Kramp-Karrenbauer hingegen beackerte seine Felder: Sie ging auf die Wirtschaftsliberalen zu, die sich von ihrer Vorgängerin Merkel vernachlässigt fühlten, versprach Steuererleichterungen, den Abbau des Solis und zeigte sich auch sonst von ihrer konservativen Seite: Merkels Flüchtlingspolitik wurde aufgearbeitet, AKK stellte gar die Grenzschließung erneut als „Ultima Ratio“ in den Raum. Das brachte ihr Applaus von den Parteikonservativen, aber keine großen Pluspunkte in den Umfragen. Dies alarmierte die liberalen Anhänger ihrer Vorgängerin, die um Merkels Erbe füchten und die Folgen einer konservativen Wende. Ihre Sorge: Es gibt mehr an die Grünen zu verlieren, als am rechten Rand zu gewinnen. Die neue Parteivorsitzende steht also vor einem schweren Balanceakt.

Und da wäre auch noch Friedrich Merz. Denn dieser ist mittlerweile aus der Ecke gekommen und kündigte Anfang März an, sich im Wahljahr 2019 doch für die CDU zu engagieren. Als er via Twitter seinen neuen politischen Pressesprecher präsentierte und Vize-Chef des CDU-Wirtschafstrates wurde, war schnell war klar: Dieser Mann hat die Politik nicht ad acta gelegt. Was also tun mit einem, den jeder zweite Delegierte zum CDU-Chef gewählt hätte, und der nach wie vor über der Partei schwebt?

Merz als Minister?

Annegret Kramp-Karrenbauer soll sich darüber schon länger Gedanken machen. Sie will   Merz in die Partei einbinden, beide führten schon Gespräche. Die FAZ will gar von einem Geheimplan wissen: Sie würde ihn im nächsten Kabinett zum Wirtschaftsminister machen. Angeheizt wird diese Theorie durch das Dauerfeuer, dem Peter Altmaier derzeit ausgesetzt ist. Unternehmer und Vertreter der Wirtschaftsverbände lassen sich öffentlich über den ehemaligen Kanzleramtschef und Merkel-Vertrauten aus. Und dies in einer Heftigkeit ("Totalausfall", "Fehlbesetzung"), dass sogar der sonst nüchtern-zurückhaltende Fraktionschef Ralph Brinkhaus von einer Kampagne spricht. Unter den Kritikern: Vertreter des mächtigen Mittelstandes, die sich Merz zurück in die Politik wünschen.

Dazu muss er aber auch mit der CDU-Chefin auskommen, insofern lässt sich der heutige Auftritt auch als versöhnliche Geste interpretieren. Eine, die Kramp-Karrenbauer ebenso nützen kann. Sie gilt zwar in der Partei als gesetzt, doch die CDU hat in diesem Jahr noch wichtige Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen vor sich, wo ihr  Konkurrenz von rechts droht. Gleichzeitig verzeichnen dort - die im ehemaligen Osten eher schwachen - Grünen einen Zuwachs an Mitgliedern. Sie könnten besser abschneiden als erwartet. Fällt das Ergebnis nicht zu Gunsten der CDU aus - in Sachsen muss sie den Ministerpräsidenten verteidigen - ist es nicht abwegig, dass man die Ursachen in Berlin sucht. Wenn dann die Rufe nach Merz wieder größer werden, wäre es von Vorteil, ihn an der Seite zu haben. Auch um vielleicht später dessen Anhänger zu überzeugen, warum sie die Saarländerin zur Kanzlerin wählen sollen. Wenn für ihn dabei ein Ministerposten rausspringt, wäre es eine Win-Win-Situation für beide. Nicht auszuschließen, dass doch alles anders kommt: Denn dass er sich nicht schon früher in die Parteiarbeit einbringen wollte, etwa im Präsidium, irritierte manchen Anhänger. Tenor: Der will nur in die Pole-Position.

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