Doch zurück zu Sebastian Kurz: Er sprach auch über seine Positionen zu Migration – "ich hielt sie immer für rational, nicht rassistisch, aber viele steckten mich in diese Ecke, das war unfair". In der Koalition sei es mit der FPÖ einfacher gewesen als mit den Grünen, da es mit den Freiheitlichen "viele Überschneidungen" gegeben habe. Zum Krieg in der Ukraine sagte Kurz, der auf die Korruptionsvorwürfe nicht einging: "Eine Niederlage ist keine Option für Putin. Die Ukraine verdient Unterstützung, aber ab einem bestimmten Punkt muss es Verhandlungen geben."
Orbáns Weltsicht, hübsch verpackt
Zum Abschluss fragt der Moderator den Ex-Kanzler, ob er denn zurückkehre in die Politik. Dessen Antwort: Er fühle sich sehr wohl mit den Dingen, die er jetzt gerade tue. Nach dem Auftritt liefen die Besucher weiter zum Konzert von Budapest Bar, Kurz traf sich mit ein paar ungarischen Ministern.
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Organisiert wird das Ganze vom Mathias Corvinus Collegium, kurz MCC, einem ungarischen Thinktank mit der Vision, "aufgeschlossene, junge Menschen mit einer patriotischen Einstellung und einem realistischen Blick auf die Welt" auszubilden. Kritische Geister sagen, das MCC fördere und verbreite, verpackt in ein attraktives Rahmenprogramm, die Weltsicht der ungarischen Regierung unter dem nationalkonservativen Ministerpräsidenten. Bei den Gesprächsrunden geht es hauptsächlich um den Kampf gegen Liberalismus, Migration, Political Correctness und Cancel Culture.
Der 25-jährige Árpád arbeitet am Migrationsinstitut des MCC. "Wir sind gegen die Migrationsreform der EU, gegen Quoten", sagt er gegenüber dem KURIER. Er zeigt auf ein Foto, das hinter ihm hängt: Es zeigt ihn mit Kollegen am Grenzzaun zu Serbien. "Wir haben mit den Menschen gesprochen, die dort ankommen. Die wollen alle nach Deutschland, warum also sollten wir sie aufnehmen?"
Ein paar Ecken weiter, dasselbe Thema – nur im akademischen Diskurs: Auf einer kleinen Bühne sitzen drei deutsche Professoren, sprechen über Cancel Culture in der Wissenschaft. Migration sei da mittlerweile ein Tabuthema geworden – "außer man ist für offene Grenzen und gegen Staatsgewalt. Ansonsten wird man sofort als Rassistin dargestellt", so die umstrittene Ethnologin Susanne Schröter. In deutschen Medien wird der Professorin wiederholt vorgeworfen, sich bewusst als "Opfer" zu inszenieren und an der Empörungsspirale zu drehen.
Der 20-jährige Jusstudent Benedek steht hinter einem Stand der CPAC Hungary, eines Ablegers der US-Konferenz konservativer Aktivisten, die Orbán seit einigen Jahren auch in Ungarn abhalten lässt und der Donald Trump jährlich Videogrüße schickt. Benedek verteilt Buttons mit der Aufschrift "0 % Liberal" und "Kein Platz für Wokeness". Sebastian Kurz? Kennt er, fand er gut, den aktuellen Bundeskanzler Nehammer dafür weniger. "Aber am besten finde ich den Chef der FPÖ, der hat auch bei der CPAC heuer gesprochen. Wie heißt er, Kickl?"
Vor Kurz stand der konservative US-Kommentator Michael Knowles auf der Bühne, sprach über seine Sicht auf die Welt und Europa, das nur gerettet werden könne, wenn es sich auf seine christlichen Wurzeln besinne. Berühmtheit erlangte Knowles einst, als er die Klimaaktivistin Greta Thunberg auf dem TV-Sender Fox News als "geisteskrank" bezeichnete. In seinem Podcast hetzt er regelmäßig gegen die Rechte von Transmenschen.
Dass bei dem Event auch Knowles’ umstrittener Fox-Kollege, Moderator Tucker Carlson, auftritt, sorgte selbst bei einigen Konservativen für Kritik. Sebastian Kurz dazu lapidar zum KURIER: "Fox News und Falter, es muss beides erlaubt sein."
Schinkenfleckerl & Gin
Ehe Kurz in Ungarn auftrat, war er zuvor selbst Gastgeber: Mit Unternehmer Markus Friesacher lud er rund 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele zu "Schinkenfleckerl & Gin Tonic" ins Café Bazar. Mit dabei auch der aktuelle Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer.
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