Martin Schulz will SPD noch einmal erlösen - in der Opposition

Martin Schulz machte gute Miene zum bösen Spiel für die SPD
Reportage: Der gescheiterte Kanzlerkandidat wurde mit "Martin, Martin"-Rufen gefeiert.

Für einen kurzen Moment ist er wieder der Erlöser: Als Martin Schulz das sagt, wonach sich viele hier im Foyer des Willy-Brandt-Hauses schon lange sehnen: Keine Große Koalition mit der Union mehr. Frenetischer Applaus. Und wieder sind die Rufe da: Martin, Martin, Martin.

Das erinnert an den Schulz-Hype, als er im März mit 100 Prozent zum SPD-Chef gewählt wurde. Nun, ein halbes Jahr später, fuhr er das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten ein. Aber irgendwie hat das hier niemanden überrascht. Kaum eine Reaktion, als die gerade einmal 20 und ein bisschen Prozent auf dem Bildschirm auftauchen, nur starre Blicke. Ein Mann fährt sich mit der Hand abwesend über das Gesicht, eine Frau stößt einen kurzen Freudenseufzer aus – die Grünen sind doch nicht aus dem Bundestag geflogen. Und ein Freund von Martin Schulz, der aus den USA anreiste, zeigt sich enttäuscht über den Rechtsruck durch die AfD, er hätte sich von den Deutschen anderes erhofft.


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Bitterer Tag

Als Schulz dann etwa eine halbe Stunde nach Schließen der Wahllokale mit seiner Entourage die Bühne betritt, jubeln sie und klatschen die Niederlage weg. Schulz selbst hält lange inne. Es sei "ein schwerer und bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie", sagt er mit gesenktem Blick. In den Reihen vor ihm wird genickt, man zeigt sich geschlossen und zollt ihm Respekt. " Wir wollten gemeinsam gewinnen, jetzt verlieren wir gemeinsam und wir werden weitermachen", sagt die SPD-Kandidatin aus Tempelhof-Schöneberg. Was sie auf keinen Fall will: eine Große Koalition.

So sahen es am Anfang dieses Wahlabends viele SPD-Anhänger. Der Student, der Lokalpolitiker aus dem Ruhrpott oder die Genossin, die lange in einem Abgeordnetenbüro arbeitete. Alle wünschen sich eine Erneuerung der SPD, auch personell. "Hier sitzen nach wie vor viele, die auch für die Hartz-IV-Reform verantwortlich waren, es braucht einen Wechsel", sagt die Genossin. Diesen verspricht Schulz von der Bühne aus – einen Wechsel in die Opposition.

Nur eine nimmt ihm das alles an diesem Abend nicht ab. Ursula Engelen-Kefer, eine Hochschulprofessorin, fast ihr halbes Leben SPD-Mitglied und lange im Sozialverband tätig, stimmt nicht in den Martin-Chor ein. "Er ist eine Fehlbesetzung", erklärt sie. Er habe null Erfahrung in der Innenpolitik. In Brüssel habe er die Populisten zurecht gewiesen, das fand sie gut, aber sozialpolitisch habe er nichts umgesetzt. In der SPD ist sie nur mehr aus historischen Gründen Mitglied.

Martin Schulz bekam davon wenig zu hören, die internen Kritiker hielten sich zurück. Und so tat er das, was er am besten kann: den Optimisten mimen und die SPD wieder einmal auf ein besseres Morgen hoffen lassen – diesmal in der Opposition. Nur, dass er diese nicht anführen wird, das soll angeblich Arbeitsministerin Andreas Nahles tun. Schulz will aber Parteichef bleiben.

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