Manfred Weber wird neuer Chef der EU-Volkspartei
Die größte europäische Parteienfamilie hat einen neuen Vorsitzenden: Der Deutsche Manfred Weber ist am Dienstag bei einem Kongress im niederländischen Rotterdam zum neuen Präsidenten der Europäischen Volkspartei (EVP) gewählt worden. Weber erhielt 447 der 515 abgegebenen Stimmen der Delegierten aus ganz Europa. Der bayerische Christlichsoziale folgt dem früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk nach, der nächstes Jahr ein Comeback als polnischer Regierungschef versuchen will.
Weber übernimmt die konservative Parteienfamilie inmitten einer schweren Krise. Seit dem Regierungswechsel im vergangenen Herbst in Deutschland hat kein großer EU-Staat einen konservativen Regierungschef. Weber dankte seinen Vorgänger Tusk, dass er "die Akte Orban geschlossen hat" und die EVP nun "die Partei der Rechtsstaatlichkeit" in Europa sei.
Glücklos
Der glücklose EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl 2019 verspricht sich vom Kongress ein "Signal des Aufbruchs", wie er der APA am Dienstag sagte. Er zeigte sich zuversichtlich, die Spitzenposition der EVP bei der Europawahl in zwei Jahren verteidigen zu können und ließ offen, ob er sich neuerlich um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten bewerben will. Seinen bisherigen Job als EVP-Fraktionschef im Europaparlament will Weber behalten, damit "für die Bürger verständlich ist, wofür die EVP steht".
Es handelt sich um den ersten EVP-Kongress seit dem Austritt der Fidesz des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban aus der EVP. Diese hat in den vergangenen Monaten weitere Rückschläge erlitten, so wurden die konservativen Regierungschefs in Bulgarien, Deutschland und jüngst auch Slowenien abgewählt. Weber zeigte sich aber zuversichtlich, den Trend umkehren zu können und verwies etwa auf gute Umfragewerte in den derzeit sozialdemokratisch regierten Ländern Finnland und Spanien.
ÖVP-Delegation
Die ÖVP-Delegation wurde von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angeführt, der seinen Aufenthalt in Rotterdam zu mehreren bilateralen Treffen nutzte. Als einer der wenigen verbliebenen konservativen EU-Regierungschefs sollte er sich am späten Mittwochvormittag in einer Rede an die Delegierten wenden. Weber hob im APA-Gespräch die wichtige Rolle hervor, die Nehammer für die EU-Konservativen derzeit spielt. "Auf der Staats- und Regierungschefebene ist heute Karl Nehammer, obwohl er frisch im Amt ist, ein strategischer Pfeiler für die EVP-Arbeit, keine Frage", so Weber. Auch EU-Ministerin Karoline Edtstadler, EU-Delegationsleiterin Angelika Winzig, Generalsekretärin Laura Sachslehner sowie EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, der sich am Mittwoch der Wiederwahl als EVP-Vizepräsident stellen wollte, waren nach Rotterdam gereist.
Der Kongress stand ganz im Zeichen des Widerstandes gegen die russische Aggression gegen die Ukraine. So hielten die Delegierten eine Schweigeminute für die Opfer des Krieges ab. Danach sang die ukrainische Song-Contest-Siegerin Ruslana die ukrainische Nationalhymne. In einer mit stehenden Ovationen bedachten Rede rief sie die Delegierten zur Unterstützung ihres Landes auf. Danach sprachen auch der ukrainische Ex-Präsident Petro Poroschenko sowie die frühere Regierungschefin Julia Tymoschenko.
Mehr Sanktionen
"Mehr Sanktionen, mehr Solidarität, kein Kompromiss", betonte Poroschenko. Er begrüßte den Beschluss des EU-Ölembargos beim EU-Gipfel und hob diesbezüglich die Rolle von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hervor. "Ohne Sie, Frau Präsidentin, wäre das nicht möglich gewesen", sagte er. In Diskussionsrunden bekannten sich führende EVP-Politiker klar zu einer EU-Beitrittsperspektive der Ukraine. Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra räumte aber einen emotionalen Notstand der EU-Politiker gegenüber der Ukraine ein. Angesichts des Krieges könne man der Ukraine nämlich "nicht nein sagen", so Hoekstra.
Programmatisch stand das Ringen um den künftigen Kurs der traditionellen Parteienfamilie im Zentrum. Der kroatische Premier Andrej Plenkovic räumte ein, dass die Situation für die EVP-Mitgliedsparteien "schwierig" sei, weil sie entweder als zu gemäßigt oder zu rechts kritisiert werden. Man solle sich nicht auf solche Diskussionen einlassen, sondern sich den Wählern als "Problemlöser" präsentieren, betonte er. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola forderte ihre Parteifreunde auf, wieder mehr Stolz auf ihre proeuropäische Ausrichtung zu zeigen.
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