So erreichte er außerdem, dass nicht der rechtsextreme Rassemblement National (RN), dessen Parteichef Jordan Bardella mit 31,5 Prozent der Stimmen einen historischen Erfolg erzielte, im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, sondern der Präsident selbst. Er könne nicht tun, „als wäre nichts gewesen“, rechtfertigte Macron seine überraschende Entscheidung.
"Karten werden neu gemischt"
Üblicherweise finden in Frankreich die Parlamentswahlen kurz nach den Präsidentschaftswahlen statt; regulär wäre es demnach erst in drei Jahren soweit gewesen. Nun werden die Karten völlig neu gemischt. „Der Donnerschlag“, titelte „Le Parisien“. „Eine schwere und historische Entscheidung“, schrieb die Zeitung „La Voix du Nord“.
Die Oppositionsparteien begrüßten zwar diese neue Entwicklung weitgehend. Doch hinter vorgehaltener Hand zeigten sich manche auch besorgt, nach den zurückliegenden aufreibenden Wochen sofort wieder in einen neuen Wahlkampf starten zu müssen, der zudem sehr kurz sein wird. Der sozialistische Listenführer Raphaël Glucksmann warf dem Präsidenten vor, Bardella zu „gehorchen“, indem er auf dessen Forderung einging.
Macron gelang ein echter Coup – doch werden ihm der Überraschungsmoment, sein Hang zum Zocken an der Urne nutzen? Seit den Parlamentswahlen 2022 verfügt sein Lager mit 239 von 577 Abgeordneten nur noch über eine relative Mehrheit in der Nationalversammlung. Mehrmals fehlten Bündnispartner für umstrittene Gesetze wie die Rentenreform. Das sorgte für viel Frust.
Erfolgreich hatte der RN die Franzosen dazu aufgerufen, die Regierung abzustrafen. Zugleich handelt es sich längst nicht mehr um eine reine Protestpartei. Der erst 28 Jahre alte Bardella zieht besonders viele junge Leute an, für die der Nachfolger des einstigen Front National jeden Schrecken verloren hat.
Der langjährige Chef Jean-Marie Le Pen, der mehrmals wegen rassistischer und antisemitischer Aussagen verurteilt wurde, hat keinen Einfluss mehr. Aktuell verfügt die Partei über 88 Sitze in der Nationalversammlung. Marine Le Pen ist dort Fraktionschefin und hat den Parteivorsitz an Bardella abgegeben. Sollte wirklich die absolute Mehrheit von 289 erreicht werden, ginge das Amt des Premierministers an ihn. „Wir sind bereit, die Macht zu übernehmen“, ließ Le Pen noch am Wahlabend wissen.
Um dies zu verhindern, hat der Generalsekretär der Regierungspartei, Außenminister Stéphane Séjourné, angekündigt, eigene Kandidaten zugunsten anderer „demokratischer Parteien“ zurückzuziehen. Es ist ein Angebot an alle außer den RN und die Linkspartei La France Insoumise („Das unbeugsame Frankreich“), kurz LFI. Doch ob sich die Oppositionsparteien darauf einlassen, den Präsidenten zu stützen, bleibt ungewiss.
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