Machtkampf auf dem Tahrir-Platz

Machtkampf auf dem Tahrir-Platz
Trotz massiven Polizeieinsatzes stemmen sich liberale Kräfte weiter gegen Präsident Mursi. Richter rufen zu Streiks auf.

Der Tahrir-Platz sollte in Tränen-Platz umbenannt werden.“ Diese Kurznachricht verschickte ein junger Ägypter via Twitter kurz nachdem die Polizei am Samstag Morgen gegen die Demonstranten mit Tränengas vorgegangen war. Doch die Aktivisten wollen weiter um „ihren“ symbolträchtigen Platz im Zentrum Kairos kämpfen, dort, wo der Sturz von Ex-Staatschef Mubarak seinen Ausgang genommen hatte.

Der Grund, warum viele Menschen wieder auf die Barrikaden steigen: Präsident Mohammed Mursi hatte sich am Donnerstag per Dekret weit reichende Machtkompetenzen gesichert (mehr dazu hier). Zudem verfügte er in einem Zusatz zum Grundgesetz, dass „zum Schutz der Revolution getroffene Entscheidungen“ rechtlich nicht mehr angefochten werden können.

"An einem Scheideweg"

Der Vorsitzende des Richterstandes bezeichnete die Verfassungserklärung Mursis als „Angriff auf das Gesetz und die Unabhängigkeit der Justizbehörden“. In Alexandria traten Richter und Staatsanwälte deswegen in einen Streik. Richter und Staatsanwälte sollten ihre Arbeit ab sofort ruhen lassen, teilte die einflussreiche Richtervereinigung - der Judges Club - am Samstag nach einer Dringlichkeitssitzung in Kairo mit.

Stellvertretend für alle liberalen Kräfte hieß es in einer Aussendung der Dustur-Partei: „Wir befinden uns an einem historischen Scheideweg, an dem wir entweder unsere Revolution vollenden oder sie aufgeben und Beute einer Gruppe werden, die enge Parteiinteressen über nationale Interessen stellt.“

Schon am Freitag waren in mehreren Städten Demonstranten auf die Straßen gegangen. Dabei wurden Büros von Mursis Muslimbruderschaft verwüstet. Es kam zu Straßenschlachten zwischen dem islamischen und dem säkularen Lager, 140 Menschen wurden verletzt. In Alexandria etwa wurden der Vorsitzende der Partei der Sozialistischen Volksallianz und seine Frau misshandelt. „Schläger der Muslimbruderschaft gingen mit Schwertern und Knüppeln auf uns los“, so Abdul Ess al-Hariri. Auf dem Tahrir-Platz warfen Aktivisten Molotow-Cocktails und skandierten: „Mursi ist Mubarak“. Letzterer regierte Ägypten ebenfalls autoritär und wurde 2011 gestürzt.

„Ich hatte versprochen, dass ich mich einmischen würde, um die Nation vor Gefahren zu schützen, und das habe ich nun getan“, rechtfertigte der Staatspräsident seine Schritte. Die jetzt hochkochenden Unruhen tat er als Verschwörung von „Gegnern im Ausland“ ab.

  Doch die Aktivisten wollen nicht lockerlassen. Man werde die Protestaktionen auf dem Tahrir-Platz so lange fortsetzen, bis die Verfassungserklärung Mursis zurückgenommen wird, sagte ein Sprecher der Bewegung „Jugend der Revolution“.

USA sind besorgt

Auch die USA zeigten sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen im Land am Nil. Der Umsturz in Ägypten habe auch das Ziel gehabt, „die Macht nicht übermäßig in den Händen einer Person zu konzentrieren“, hieß es in einem Statement. Zugleich wurden alle Beteiligten aufgerufen, ruhig und friedlich an einer Lösung zu arbeiten.

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