Maaßen – ein Debakel für alle Beteiligten
Es sind keine zwei Monate seit der letzten Krise vergangen, da tagten die Parteichefs von CDU, CSU und SPD gestern erneut im Kanzleramt: Es ging um die Zukunft des Verfassungsschutzpräsidenten. Aber auch um die Zukunft dieser Regierung.
Die SPD forderte die Entlassung von Hans-Georg , der nun seinen Posten räumen muss. Ihm wird vorgeworfen, er habe die Vorfälle in Chemnitz verharmlost und Vertrauen verspielt. Der 55-Jährige hatte in der Bild die Authentizität eines Videos von Übergriffen auf Migranten angezweifelt, und angedeutet, es solle vom „Mord“ an einem Deutschen ablenken. Beweise blieb er schuldig. Maaßen erklärte später, er wollte darauf hinweisen, dass ein Video keine „Hetzjagd“ belegen kann. Er hoffte, Sachsens Landeschef zu unterstützen, der dies auch anzweifelt. Da Maaßen in seiner neutralen Position mehr mutmaßte als aufklärte und politisch Stellung bezog, kam Kanzlerin Merkel unter Zugzwang.
Kritik am Kompromiss
Gestern fiel dann die Entscheidung: Maaßen wird zwar abgelöst, er soll aber als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln – ein scheinbar gesichtswahrender Kompromiss, der die Koalition retten soll. Doch ganz so einfach wird es nicht.
Unter Merkels internen Gegnern gibt es viel Sympathie für Maaßen, der nie ein Geheimnis aus seiner Abneigung ihrer Flüchtlingspolitik gemacht hat. Dass er nun seinen Posten räumen muss, heißt aus ihrer Sicht: Er wird abgestraft. Mit diesem Opfer-Narrativ macht derzeit auch die AfD mobil, bezeichnet den Verfassungsschutzchef als "unbequemen Mitarbeiter", der "weggelobt" wurde.
Gleichzeitig muss sich Merkel nun Schwäche vorwerfen lassen, sie hätte mit Maaßens Entlassung ein Zeichen setzen können. Stattdessen hat sie mit Merkelschen Pragmatismus Regierung und Unionsgemeinschaft - und damit auch ihre Macht abgesichert, die Außenwirkung ist aus Sicht der Opposition fatal. Denn Maaßens neue Position mutet einer Beförderung an, kritisiert Irene Mihalic, Innenexpertin der Grünen: „Ich finde dieses Signal verheerend.“ Empört zeigten sich auch Linke und FDP. Für den Chef der Liberalen, Christian Lindner, ist die Versetzung von Maaßen „eine formelhafte Scheinlösung.“
Innenminister Horst Seehofer kann damit jedenfalls sein Gesicht wahren – denn für ihn ist die Ablöse von Maaßen vor der Bayern-Wahl unangenehm: Bisher hat er sich immer hinter ihn gestellt. Nun musste er seine Position ändern. Ob ihm das als weiteres Beispiel für seinen Zickzackkurs (zuerst poltern, dann klein beigeben) auf den Kopf fällt, wird sich zeigen.
In der SPD wird man Maaßens Abgang nicht ganz so groß feiern können wie erhofft. Noch am Wochenende versicherte Andrea Nahles: Maaßen „wird gehen“. Dass er nun nicht ganz weg ist, sondern zu seinem Dienstherrn Seehofer wechselt, dort Politik macht und gar in eine höhere Besoldungsgruppe wechselt, sorgt in den Reihen der Genossen für Empörung. Parteivize Ralf Stegner spricht von einem „Desaster“, Kevin Kühnert von einem „Schlag ins Gesicht“.
Wer aber den größten Schaden genommen hat: die Verfassungsschutzbehörde (BfV), die seit Jahren in der Kritik steht. Hans-Georg Maaßen sollte sie mit Amtsantritt 2012 aus dem Sumpf ziehen, nachdem bekannt geworden war, dass Akten aus dem Umfeld der NSU-Mörder vernichtet wurden. Das ist ihm nur bedingt gelungen: Die Daten eines V-Mannes, der das Trio bespitzelte, wurden zu spät ausgewertet; dazu kamen Vorwürfe, seine Behörde habe nach dem Terroranschlag in Berlin 2016 Fehler vertuscht. Nach sechs Jahren unter Maaßen steht dem BfV wieder ein Neuanfang bevor.
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