Lukaschenko erzählt seine Version: Uninteressante Oppositionelle, manipulierte Sportlerin

Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko
Zum Jahrestag der umstrittenen Wiederwahl und dem Beginn der Massenproteste in Belarus lud Europas „letzter Diktator“ zur Bilanz

Von Eva Sager

Alexander Lukaschenko mag keine Oppositionellen. Auch keine Demonstrierenden, keine Kritikerinnen und Kritiker, keine freie Presse. Eigentlich mag Alexander Lukaschenko niemanden, der ihm nicht direkt unterstellt ist.

Und das lässt er seine Bevölkerung spüren: Ein Jahr nach den Massenprotesten gegen seinen vermeintlichen Wahlsieg ist es leise in der weißrussischen Hauptstadt. Zu gefährlich wäre der offene Widerstand. Davon zeugen rund 600 politische Gefangene, eine geflüchtete Olympionikin und ein abgefangenes Passagierflugzeug mit einem Oppositionellen an Bord.
Nun zog der Staatschef von Belarus (Weißrussland) Bilanz. In einer groß angelegten Pressekonferenz, bei der ausnahmsweise auch internationale Medien dabei sein durften, sprach er von einer vereitelten Revolution des Westens.

Mit dem tot aufgefundenen Aktivisten Witali Schischow wollte er nichts zu tun haben. „Wer war er für Belarus oder für mich?... Er hat uns nichts bedeutet.“ Schischow leitete die Organisation „Belarussisches Haus in der Ukraine“, die belarussische Flüchtlinge bei der Ankunft in der Ukraine unterstützt.

In der Vorwoche wurde der 26-Jährige erhängt in einem Park in Kiew aufgefunden. Die Oppositionsbewegung geht von Mord aus.
Auch die olympische Sprinterin Kristina Timanowskaja ließ Lukaschenko nicht unerwähnt. Sie hatte sich während der Spiele in Tokio ins polnische Exil abgesetzt. Ginge es nach Lukaschenko, wurde die Athletin vor allem eines: manipuliert.

Und was wäre eine Pressekonferenz des oft „letzter Diktators Europas“ Genannten ohne Kritik an der Europäischen Union? Seit der letzten Wahl erkennt sie ihn nämlich nicht mehr als Präsidenten an und verhängte zusammen mit den USA Sanktionen, um faire und freie Neuwahlen zu erreichen.

Am Montag drohte man mit weiteren. Die EU wirft Belarus vor, gezielt Migrantinnen und Migranten über die EU-Grenze nach Litauen passieren zu lassen. „Sie sollten einfach mal nachdenken, bevor sie gegen uns irgendwelche Maßnahmen verhängen“, sagte Lukaschenko.

Anhaltender Widerstand

Die Opposition will ihren Widerstand trotz allem nicht aufgeben. „Demonstrationen auf der Straße sind nur ein Teil der Protestbewegung“, so die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zur Nachrichtenagentur dpa. Größere Aktionen schloss sie in nächster Zeit aber aus. „Es hat schon genug Opfer gegeben, zu viele zerstörte Leben.“ Tichanowskaja lebt aus Angst vor Strafverfolgung in Litauen im Exil.

Bei der Präsidentschaftswahl 2020 hatte sie Lukaschenko herausgefordert und laut Demokratiebewegung gewonnen. Auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlichte sie Protokolle mit Auszählungsergebnissen, die einen klaren Vorsprung ihrerseits aufweisen. Eva Sager

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