London darf Asylbewerber nicht nach Ruanda abschieben

London darf Asylbewerber nicht nach Ruanda abschieben
London wollte illegal eingereiste Asylwerber nach Ruanda schicken. Schon der erste Flug musste abgesagt werden.

Sieben Migranten wollte die britische Regierung Mitte Juni nach längerem juristischen Tauziehen nach Ruanda ausfliegen (mehr dazu hier).

Dort sollten die Männer gemäß einem umstrittenen Abkommen mit Kigali vom April um Asyl ansuchen – und zwar um Asyl in Ruanda, nicht in Großbritannien.

Mehr dazu: Asyl-Deal mit Ruanda: Londons Tauziehen um sieben Migranten

Der Abflug wurde in letzter Minute vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gestoppt: Einer der betroffenen Migranten reichte mithilfe von Anwälten in Straßburg Klage ein. 

Der Mann dürfe erst nach einem abschließenden Urteil der britischen Justiz abgeschoben werden, befanden die Richter damals. Auch wiesen die EGMR-Richter in ihrer Urteilsbegründung darauf hin, dass die UNO Zweifel an der Fairness der Asylverfahren in Ruanda geäußert habe und es umstritten sei, ob das autoritär regierte, dicht besiedelte und bitterarme Land ein sicheres Drittland ist.

Gericht entscheidet: Keine Abschiebungen

Ein Entscheid des Obersten Gerichtshofs in London über die Rechtmäßigkeit des Asylpakts mit Ruanda wurde für Ende Juli erwartet. Und liegt nun vor: Die britische Regierung darf entgegen ihren Plänen vorerst keine Asylbewerber nach Ruanda abschieben. Das entschied ein Berufungsgericht in London am Donnerstag.

Die Richter entschieden mehrheitlich, dass Ruanda nicht als sicheres Drittland betrachtet werden kann. Grund seien Mängel im dortigen Asylverfahren.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Schutzsuchende von Ruanda aus wieder in ihre Heimatländer abgeschoben würden, obwohl sie einen Asylanspruch hätten. Die Entscheidung kann noch beim obersten britischen Gericht angefochten werden.

Europarat, nicht EU

Die britische Regierung ließ in Person von Justizminister Dominic Raab eine Woche nach dem Abflug-Stopp verlautbaren, sie werde den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht mehr als letzte Instanz in Menschenrechtsfragen akzeptieren. 

Doch ist Großbritannien an das Urteil des EGMR gebunden, da der Gerichtshof auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention geschaffen wurde. Er ist keine Institution der EU, sondern des Europarats, dem 46 Länder angehören (bis kurz nach Beginn des Ukrainekrieges zählte auch Russland dazu).

28.000 Menschen kamen 2021 illegal über den Ärmelkanal nach Großbritannien – per Boot oder versteckt in Lkw.  Im vergangenen Jahr waren es rund 45.000 Migranten - so viele wie nie zuvor. Heuer sind bisher mehr als 11.000 Menschen illegal in das Vereinigte Königreich eingereist. 

Migranten, die auf diesem Weg eingereist sind, sollten nach Ruanda geschickt werden können, wo sie um Asyl ansuchen können. 

Umgerechnet 144 Millionen Euro überweist Großbritannien an Ruanda, damit es die Menschen aufnimmt und ihnen die Chance auf Asyl bietet.

Eine Rückkehr nach Großbritannien soll es nicht geben, selbst wenn ein Migrant von Ruanda als Flüchtling anerkannt wird. Der Deal sollte vorerst für fünf Jahre gelten. 

Das Abkommen mit Ruanda geht auf die Regierung noch unter Premier Boris Johnson zurück. Sie wollte Menschen von der illegalen Einreise in kleinen Booten über den Ärmelkanal abhalten, indem sie ihnen den Zugang zu einem Asylverfahren in Großbritannien verweigert.

Stattdessen sollen die Migranten nach Ruanda geschickt werden und dort Asyl beantragen. Ein entsprechendes Abkommen hatte Innenministerin Priti Patel im April unterzeichnet. London hatte zugesagt, dem ostafrikanischen Land dafür zunächst 120 Millionen Pfund (knapp 140 Millionen Euro) zu überweisen.

Experten halten die britische Überzeugung für fraglich. Die Zahl der Migranten, die in wackeligen Booten oder festgeklammert an Lkw den Ärmelkanal überqueren, ist seit Bekanntgabe des Deals nicht merklich gesunken.

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