Kritik von Prinz Charles
Der Deal zwischen London und Kigali, der vorerst für fünf Jahre gilt, hat in Großbritannien massive Empörung hervorgerufen. Sogar Thronfolger Charles, eigentlich der politischen Neutralität verpflichtet, hat die Abschiebepolitik seines Heimatlandes als „entsetzlich“ bezeichnet, UNO, Kirchen und NGOs protestierten.
Premier Boris Johnson, der sich zuletzt wegen seiner Partygate-Affäre ja nur mühsam im Amt hielt, argumentiert hingegen, der „innovative Deal“ werde in Ruanda zum Aufschwung beitragen: Das Land kassiert dafür laut eigenen Angaben gut 144 Millionen Euro. Großbritannien bezahlt zudem die Unterbringung der Migranten während der Asylverfahren und eventuelle Berufsausbildungen.
Richtig erfolgreich ist Johnson mit dem Unterfangen dennoch nicht. Anfangs hätten 130 Asylwerber mit dem ersten Flug nach Ruanda geflogen werden sollen, der für Dienstagabend geplant war. Klagen und Hungerstreiks drückten die Zahl der Passagiere dann aber auf sieben. Außenministerin Liz Truss war das am Dienstag egal: „Wichtig ist, dass der Flug stattfindet“, sagte sie.
Europäische Gericht untersagt Abschiebung
Ein Iraker wandte sich an den Euzropäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Gericht ordnete am Dienstagabend an, dass einer der Betroffenen zunächst nicht ausgeflogen werden dürfe. Vielmehr müsse zunächst eine Frist von drei Wochen nach dem Abschluss des Rechtsweges in Großbritannien verstreichen.
Aus britischen Regierungskreisen verlautete, das Urteil werde geprüft.
Angesichts der 28.000 Menschen, die 2021 illegal nach Großbritannien einreisten, ist dies freilich eine verschwindend kleine Gruppe. Der Regierung geht es allerdings nicht darum, möglichst viele Menschen loszuwerden, sondern um Abschreckung: Die Aussicht, am Ende einer langen, teuren und gefährlichen Reise in Afrika zu landen, werde Migranten davon abhalten, in Boote Richtung Großbritannien zu steigen.
Dänemark interessiert
Experten sehen das allerdings nicht so, und auch das britische Außenministerium beurteilte das vor einem Jahr noch anders. Zwar ist Ruanda 28 Jahre nach dem Genozid mit 800.000 Toten friedlich, Präsident Kagame regiert aber mit harter Faust. Opposition wird nicht geduldet, Staatsmedien dominieren die öffentliche Meinung. Menschenrechtsgruppen bezweifeln, dass Migranten in Ruanda ein faires Asylverfahren erwarten können.
Völkerrechtsexperten halten das Abkommen zudem für einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, zumal es de facto kaum legale Wege nach Großbritannien gibt. Anderen EU-Ländern scheint das egal zu sein: Dänemark verhandelt mit Ruanda ein ähnliches Modell. Fix ist bereits, dass ab 2023 straffällig gewordene Asylwerber in den Kosovo verfrachtet werden. Anders als Österreich kann Kopenhagen das machen: Dänemark hat in Brüssel einen Sonderstatus ausverhandelt.
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