US-Minister verheimlicht Krebs: Warum dürfen Politiker nicht krank sein?

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin
Der Fall Lloyd Austin lässt in den USA die Wogen hochgehen. Warum Krankheiten im politischen Leben tabu sind - und warum das mit einem veralteten Männerbild zu tun hat.

Von Lukas Bergmann

Das Privatleben des Verteidigungsministers der USA hat für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Am 1. Jänner ist Lloyd Austin nach einer Operation aufgrund von Komplikationen ins Militärkrankenhaus Walter Reed eingeliefert worden. Soweit so gewöhnlich. Jedoch wussten weder enge Vertraute des Präsidenten noch hochrangige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums davon - weder von der Krebserkrankung, noch von den Komplikationen. Sein Aufenthalt im Krankenhaus wurde erst am Donnerstag publik und ruft jetzt heftige Kritik von den Republikanern hervor. Sie sprechen von „Geheimniskrämerei“. 

Austin gesteht Fehler in der Kommunikation ein und gelobt, es das nächste Mal „besser zu machen“. Trotzdem ist das Verschweigen von gesundheitlichen Problemen bei Politiker kein Einzelfall. 

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Gratwanderung zwischen öffentlichem Interesse und Privatsphäre

Die Frage, ob Medien über Krankheiten von Politikern berichten sollen, beschäftigt regelmäßig die Redaktionen, da das an sich ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen ist. Bei jedem Fall muss zwischen öffentlichem Interesse und der Veröffentlichung privater, auch heikler Details abgewogen werden. 

In diesem Fall ist für die Medien klar, dass ein Interesse der Bürger besteht: Austin bekleidet eines der wichtigsten Ämter von einem der einflussreichsten Länder der Welt, zusätzlich sind die Gesundheitsuntersuchungen von hochrangigen Mitgliedern der US-Regierung regelmäßig Gesprächsstoff in den Nachrichten. 

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Zwischen Stärke, Schwäche und einem veralteten Männerbild

Genau diese Diskussion versuchen Politiker so gut es geht zu vermeiden. In einer brutalen Medienlandschaft heißt es, Stärke zu zeigen um ja keine Zweifel an der Amtstauglichkeit aufkommen zu lassen. Der Politiker muss immer funktionieren, souverän und mutig sowie abgebrüht sein und auch Dominanz zeigen. Diese Eigenschaften stammen auch aus einem jahrzehntealten Männerbild, das aber nicht mehr zeitgemäß ist.

Es gibt unzählige Beispiele, die zeigen, dass sich Politiker mit diesem Verhalten selbst schaden. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl überstand 1989 mit Unterleibsschmerzen einen kompletten Parteitag aus der Angst, er würde von der Spitze geputscht werden. US-Präsident John F. Kennedy musste aufgrund von Rückenschmerzen jahrelang ein Korsett tragen, hatte eine Nierenkrankheit und nahm Pillen gegen Erschöpfungsdepression. Die Tabletten wiederum hatten starke Nebenwirkungen. 

Auch in Österreich gibt es genügend Beispiele, die veranschaulichen, dass die Wirkung nach außen Politikern oft wichtiger ist als die persönliche Gesundheit. Bei Bruno Kreisky war es ein offenes Geheimnis, dass er ein Dialyse-Patient war, in der Öffentlichkeit darüber reden wollte er trotzdem nicht. Thomas Klestil hat seine Amtsgeschäfte nach einer Lungenembolie im Jahr 1996 weitergeführt, obwohl er sich eigentlich schonen musste. Drei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit hat er zwei Herzinfarkte erlitten, an denen er dann starb.

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Politiker öffnen sich langsam

Die Zeiten ändern sich jedoch in diesem Bereich. In den letzten Jahren haben sich einige Politiker öffentlich zu ihren gesundheitlichen Problemen geäußert. Der ehemalige Gesundheitsminister der Grünen, Rudolf Anschober, der burgenländische SPÖ Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sowie die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), haben alle ihre gesundheitlichen Probleme offengelegt. Sie zeigen, dass man trotz der Präsenz als (Ex-)Politiker immer noch ein Mensch ist, oder haben im schlimmsten Fall die Notbremse gezogen und sind zurückgetreten. 

Es gibt aber immer noch Themen, über die viele Politiker noch den Mantel des Schweigens hängen, wie Thomas Kilche – ein Politikpsychologe – einem deutschen Ärzte-Magazin erklärt: „Krankheiten, die die Urteils- und Handlungsfähigkeit beeinträchtigen können, also die mit Abhängigkeiten oder psychischen Symptomen behaftet sind, zum Beispiel die Volkskrankheit Depression, werden im Politbetrieb verschwiegen.“ 

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Doch auch dieses Tabu bröckelt, wie der Fall des US-Senators John Fetterman zeigt. Nicht nur, dass er im Wahlkampf einen Schlaganfall erlitt und trotzdem gewann, er hat sich im Februar 2023 wegen einer klinischen Depression ins Krankenhaus einweisen lassen. Trotzdem führt er die Amtsgeschäfte weiter. 

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