Libyen: Warum Migranten zahlen, um in Gefangenenlager zu kommen

Horrende Zustände für Migranten in Libyens Lagern. Dennoch beobachtet das UN-Flüchtlingshilfswerk einen neuen, fatalen Trend.

Unter keinen Umständen würde sich ein Mensch normalerweise freiwillig in eines der 19 berüchtigten Gefangenenlager in Libyen begeben. „Von schlimm zu schrecklich“, hätten sich die katastrophalen Zustände dort zuletzt verschlechtert, berichtete Vincent Cochetel am Mittwoch in Brüssel. Der UNHCR-Beauftragte für die Situation der Flüchtlinge auf der zentralen Mittelmeerroute kennt die Lager alle, in den Libyens Regierung und Armee Migranten einsperren.

Horrende Bedingungen herrschen dort, teilweise liegen die Flüchtlinge übereinander, manchmal gibt es nichts zu essen. Vergewaltigungen von Frauen und Männern zählen ebenso zum Alltag wie Prügel und Misshandlungen.

Zahlen für das Lager

Und dennoch stellte das UN-Flüchtlingshilfswerk in Libyen in den vergangenen Monaten einen neuen Trend fest: Migranten zahlen die Schlepper, damit sie in die Lager kommen. Dort erhoffen sie sich zum einen mehr Schutz als draußen, in Freiheit. „Je dunkler die Hautfarbe, und je weniger man arabisch spricht, desto größer ist die Gefahr missbraucht zu werden“, berichtet Cochetel.

Banden kidnappen Migranten und zwingen deren Familien daheim, Geld zu überweisen. Zum anderen hoffen die Asylsuchenden, über die berüchtigten Lager schneller zu einem Platz in einer neuen Heimat zu kommen.Beides sei ein Irrglaube, weist Cochetel die Erwartungen der Flüchtlinge zurück. Auf der ganzen Welt für alle Flüchtlinge der Erde würden die Staaten nur 52.000 Plätze anbieten. Und für die direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Libyen habe nur ein europäischer Staat, Italien, Plätze angeboten: 130.

Verändert aber habe sich in jüngster Zeit der Zustrom von Migranten nach Libyen, bestätigt Cochetel.

15.000 Menschen haben heuer versucht, von Libyen aus, Europa zu erreichen. 8.500 davon hat die libysche Küstenwache gestoppt und nach Libyen zurückgebracht. Insgesamt sind heuer bisher 93.000 Menschen über das Meer nach Europa gekommen – die Mehrheit nach Griechenland. Mindestens 1.200 Menschen sind ertrunken.

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