Libanon: Drahtzieher des Hariri-Mordes bleiben im Dunkeln

Rafik Hariri wurde 2005 ermordet
UN-Sondergericht konnte keine Beweise finden, dass die Hisbollah oder Syrien hinter dem Anschlag 2005 steckten. Es gibt ein Urteil.

Mehr als 15 Jahre nach der Ermordung des damaligen libanesischen Ministerpräsidenten Minister Rafik Al-Hariri bleiben die Drahtzieher des Attentats unklar.

Das von der UNO unterstützte Sondertribunal für den Libanon sprach am Dienstag zwar ein mutmaßliches Mitglied der schiitischen Hisbollah-Miliz schuldig, kam aber zu dem Ergebnis, dass es keine Beweise für eine Verwicklung der Hisbollah-Führung oder der syrischen Regierung in den Anschlag gebe.

Zwar hätten beide womöglich Motive gehabt, Hariri aus dem Weg zu räumen, erklärte Richter David Re bei der Urteilsverkündung. Aber für eine Beteiligung der Hisbollah und Syriens gebe es keine Belege, hieß es in der 2.600 Seiten umfassenden Begründung. Angeklagt waren vier flüchtige Hisbollah-Mitglieder, denen eine Verschwörung zur Tötung Hariris vorgeworfen wurde - drei wurden freigesprochen.

Bis 1918 ist der Libanon Teil des Osmanischen Reiches. Danach wird das Land  mit Syrien und einer heute türkischen Provinz Teil des französischen Mandatsgebiets im Nahen Osten und erlangt erst 1944 seine Unabhängigkeit. Nach der Gründung Israels 1948 siedeln sich viele palästinensische Flüchtlinge an. 1958  führen religiöse und politische Konflikte beinahe zum Bürgerkrieg. Die US-Armee interveniert

1975 bis 1990: Der Bürgerkrieg zwischen Milizen der diversen Glaubensgemeinschaften und politischen Clans fordert bis zu 150.000 Menschenleben. 1976 marschiert Syrien ein, 1978 und 1982 auch Israel, die radikale schiitische Hisbollah wird gegründet

1992  gewinnt der Geschäftsmann Rafik Hariri die ersten freien Wahlen seit 1972 und wird Premier
 
2000:  Israel zieht sich aus der 1985 etablierten „Sicherheitszone“ im Süden des Libanon zurück. Syrische Truppen bleiben im Land

2005: Der anti-syrische Ex-Premier Hariri wird bei einem Bombenanschlag in Beirut getötet. Die Opposition, die Massenproteste organisiert, und später auch die UNO machen Syrien für die Tat verantwortlich. Im April verlassen die letzten syrischen Soldaten das Land. Die Parlamentswahlen gewinnt das anti-syrische Bündnis von Hariris Sohn Saad

2006: Nach der Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah marschiert Israel im Juli im Libanon ein. Aus einem vier Wochen dauernden Krieg geht die  Hisbollah gestärkt hervor

2011 beginnt der Bürgerkrieg in Syrien. Mehr als eine Million Syrer flüchten in den  Libanon; das Land wird weiter destabilisiert

Ende 2019 brechen Massenproteste wegen der großen Not, miserablen Wirtschaftslage und der grassierenden Korruption aus. Die Corona-Pandemie verschärfte zudem die Lage. Durch eine gigantische Explosion in Beirut Anfang August 2020 werden 300.000 Menschen obdachlos

Hariri und 21 weitere Personen wurden am 14. Februar 2005 durch einen Bombenanschlag getötet. Der damalige libanesische Regierungschef gehörte der islamischen Glaubensrichtung der Sunniten an. Er galt als Bedrohung für die Einflussmöglichkeiten des Iran und Syriens im Libanon. Die vom Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Organisation hat jede Verwicklung in das Attentat stets bestritten.

"Terrorakt" aus politischen Gründen

Der Vorsitzende Richter David Re rief die Anwesenden zu Beginn zu einer Schweigeminute für die Opfer der Explosionskatastrophe in Beirut auf. Dann sagte Re bei der Verlesung des Urteils, das Attentat auf Hariri im Februar 2005 sei ein "Terrorakt" gewesen, der aus politischen Gründen verübt worden sei.

Das 2007 vom UN-Sicherheitsrat eingesetzte Sondertribunal zur Aufklärung des Mordes an Hariri hatte seit 2009 in Leidschenham bei Den Haag vier mutmaßlichen Hintermännern der schiitischen Hisbollah-Miliz in Abwesenheit den Prozess gemacht. Die Hisbollah hatte die Verantwortung für den Anschlag zurückgewiesen und sich geweigert, die Angeklagten zu überstellen. Am Freitag sagte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, die Hisbollah werde auch das Urteil des UN-Sondergerichts nicht anerkennen.

Eigentlich sollte das Urteil schon vor eineinhalb Wochen verkündet werden. Wegen der Explosionskatastrophe in Beirut mit mehr als 170 Toten und tausenden Verletzten hatte das Gericht in Leidschendam die Urteilsverkündung aber verschoben. An der Urteilsverkündung nahm auch Ex-Ministerpräsident Saad Hariri teil, der wie sein Vater Regierungschef war.

In Deutschland hatte Innenminister Horst Seehofer Ende April Aktivitäten der Hisbollah in Deutschland untersagt. Ihr militärischer Arm wird seit 2013 von der EU als Terrororganisation eingestuft.

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