Warum Lena Schilling bei der UN-Klimakonferenz protestiert
Diese Chance ließ sich das Regime nicht entgehen. Um eine kranke Verwandte zu besuchen, war der im Exil in Großbritannien lebende Wirtschaftswissenschaftler Gubad Ibadoghlu im Sommer 2023 mit seiner Frau nach Baku gekommen.
Auf einer Straße im Zentrum wurde sein Auto von mehreren Fahrzeugen des Geheimdienstes gerammt, rund 20 teils schwer bewaffnete Beamte umringten das Paar, prügelten auf sie ein und schafften sie in ein Gefängnis in der Hauptstadt.
Während Ehefrau Irida schließlich freikam, verbrachte Gubad Ibadoghlu Monate in Isolationshaft. Als die Gesundheit des heute 53-Jährigen so ruiniert war, dass er in der Haft zu sterben drohte, wurde er in den Hausarrest überstellt. „Er hat zu viele der dunklen Geschäfte des Regimes aufgedeckt und darüber berichtet“, erzählt dessen Tochter Zhala im Vorfeld internationalen Medien, darunter auch dem KURIER.
Tatsächlich hat der Ökonom zahlreiche brisante Berichte verfasst, etwa über die Geschäfte mit eigentlich sanktioniertem Erdöl und Erdgas aus Russland, das über Aserbaidschan in die Energiemärkte des Westens eingeschleust wird. Russische Erdölfirmen wie Lukoil sind direkt in diese Geschäfte involviert. Für die sollen am Rande der COP-Klimakonferenz neue Investoren angelockt werden, wie die britische BBC aufgedeckt hat.
Aufgedeckt hat Ibadoghlu, der auch für die Weltbank tätig war, auch die Geschäfte des Familienclans rund um Diktator Ilham Alijew. Nachdem die Armee Aserbaidschans in einer Militäroperation 2023 das umstrittene Territorium Bergkarabach vom Nachbarn Armenien zurückerobert hatte, wurden die dortigen Gebiete unter den Mitgliedern des Clans aufgeteilt.
Ibadoghlu ist nicht die einzige Gefahr, derer sich das Alijew-Regime in letzter Zeit mit wachsender Brutalität entledigt hat. Rund 300 Regimekritiker sitzen derzeit in den Gefängnissen Aserbaidschans. Auf ihr Schicksal müssten jetzt vor allem die Vertreter der EU bei der COP aufmerksam machen und auf deren Freilassung drängen.
Freilassung gefordert
Das EU-Parlament hat zwar eine Resolution verabschiedet, die die Verbrechen des Regimes verurteilt, einige EU-Abgeordnete wollen aber noch weiter gehen, so auch die österreichische Parlamentarierin der Grünen, Lena Schilling, die selbst nach Baku reist. In einem Brief an den Justizminister Aserbaidschans fordert die Österreicherin gemeinsam mit rund einem Dutzend Kollegen die Freilassung Ibadoghlus, aber auch anderer prominenter Regimekritiker, wie etwa Journalisten, oder Umweltaktivisten. Außerdem will man einige der Häftlinge besuchen. „Es darf nicht sein, dass diese Klimakonferenz von einer Erdgas-Diktatur genützt wird, um Greenwashing zu betreiben und ihr internationales Image aufzupolieren“, erklärt Schilling: „Und das während sie Menschenrechte mit Füßen tritt und ihre Öl-Geschäfte befördert.“
Doch um die Geschäfte des Regimes aufzudecken, sind Experten wie Ibadoghlu nötig. Er könne mit seinem Wissen Verbindungen und Hintergründe aufdecken, analysiert eine Energie-Expertin gegenüber der Financial Times – „So kann man die Diktatur zur Verantwortung ziehen.“
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