Ukraine geht in die Offensive: Dörfer zurückerobert
Tag 37 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:
Russlands Offensive hat sich an allen Fronten seit Tagen festgefressen, jetzt aber gehen ukrainische Truppen an mehreren besonders umkämpften Orten zum Angriff über. Den ukrainischen Streitkräften sind nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes Geländegewinne an den Hauptversorgungsrouten zwischen der Hauptstadt Kiew und der umkämpften Großstadt Tschernihiw im Norden des Landes gelungen. Sie hätten entlang dieser Routen mehrere Dörfer zurückerobert, teilt der Geheimdienst mit. „Die Ukraine hat auch weiterhin erfolgreiche, aber begrenzte Gegenangriffe im Osten und Nordosten von Kiew durchgeführt“
Erfolge im Süden
Auch im besonders umkämpften Süden, rund um die Stadt Cherson, sind die Ukrainer – zumindest laut eigenen Angaben – auf dem Vormarsch. Cherson ist die einzige größere Stadt, die die Russen in den vergangenen fünf Wochen erobern konnten. Sie ist eine Schlüsselstelle für die von Russland geplante Landbrücke auf die Krim. Ukrainische Truppen haben dort nach eigenen Angaben elf Siedlungen zurückerobert.
Panzer aus dem Kalten Krieg
Beim Vormarsch sei ihnen auch schwere russische Militärtechnik in die Hände gefallen, darunter Panzer vom Typ T-64. Ein Modell aus dem Kalten Krieg der 1960er und damit ein neuerlicher Beweis dafür, mit welcher veralteten Technik die russischen Streitkräfte in der Ukraine unterwegs sind. Dank des Erfolgs könnten die Einwohnerinnen und Einwohner nun Lebensmittel und Medikamente erhalten, teile die ukrainische Militärführung mit. Die Zivilbevölkerung habe die ukrainischen Kräfte freudig begrüßt. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Offensive im Osten
Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskij bereitet sich die Ukraine auf einen massiven russischen Angriff im Osten des Landes vor. Dort orte man Truppenkonzentration, sagte Selenskij am Donnerstag. Auch auf russischer Seite hieß es, Ziel sei es, die Gebiete des Donbass zu erobern, die bisher noch nicht unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten stünden. Diese kontrollieren Teile der rohstoffreichen Ostukraine seit 2014.
Nordukraine: Kaum Entspannung trotz russischer Zusagen
Cherson zurückerobert
Ukrainische Truppen eroberten nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen elf Siedlungen im südukrainischen Gebiet Cherson zurück. Nach Angaben des Generalstabs in Kiew konnten russischen Einheiten nirgendwo Geländegewinne verzeichnen. Die östliche Großstadt Charkiw werde weiter beschossen, ein Durchbruchsversuch nahe Isjum sei aber gescheitert. Ein russischer Vorstoß im südlichen Gebiet Mykolajiw sei erfolglos gewesen. Im Norden hätten sich einige russische Einheiten zurückgezogen.
Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
Situation im Donbass
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij räumte allerdings auch Probleme an anderen Fronten des Krieges ein. "Die Situation im Süden und im Donbass bleibt äußerst schwierig", sagte der Staatschef.
Russland will nach Ansicht des ukrainischen Generalstabs die militärische Präsenz in der Ost- und Südukraine aufrechterhalten. Es gebe Versuche, eine Verwaltung in den besetzten Regionen der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson aufzubauen, teilte der Generalstab in der Nacht mit.
Im Zuge dessen werde damit gerechnet, dass es dort weiterhin zu Kampfhandlungen kommen werde.
Kiew
Unterdessen entspannte sich die Lage in Kiew nach Angaben des Stadtkommandanten etwas. "Dank der standhaften Verteidigung und der heldenhaften Aktionen unserer Truppen verbessert sich die Situation rund um die Stadt", hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Mitteilung von General Mykola Schyrnow.
Die zivile Infrastruktur werde wiederhergestellt, dies betreffe Unternehmen wie auch Handels- und Dienstleistungseinrichtungen. "Das ukrainische Militär und Unterabteilungen des staatlichen Rettungsdienstes säubern und entminen die befreiten Gebiete", teilte Schyrnow weiter mit.
In den Außenbezirken Kiews werde aber weiter gekämpft. Schyrnow rief die Bevölkerung zur Vorsicht auf. Luftalarmsignale sollten weiter beachtet werden.
Korridor aus Mariupol
Nach Forderungen Deutschlands und Frankreichs will Russland nach eigenen Angaben einen neuen Anlauf für einen humanitären Korridor aus der umkämpften Hafenstadt Mariupol nehmen. Das russische Verteidigungsministerium kündigte eine Feuerpause für den Morgen und den geplanten Beginn der Evakuierung von 9.00 Uhr MESZ an.
Das Internationale Rote Kreuz hatte zuvor mitgeteilt, mehrere Teams seien auf dem Weg nach Mariupol, um Evakuierungen zu organisieren. Russland habe dem zugestimmt.
Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sagte, ein Konvoi aus 45 Bussen solle Menschen aus der Stadt bringen. In den vergangenen Tagen waren allerdings Evakuierungsversuche aus der durch russische Bombenangriffe stark zerstörten Stadt mehrfach gescheitert.
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