Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

Nach nur zwei Blitzvisiten in der deutschen Provinz ist Barack Obama das erste Mal als US-Präsident in Berlin. Jubel ist programmiert, alte Herzlichkeit eher Erinnerung.

2008 inszenierte Barack Obama in Berlin mit 200.000 begeisterten Anhängern aus ganz Europa den Höhepunkt seines ersten Wahlkampfs: An der Siegessäule versprach er das Blaue vom Berliner Abendhimmel, Friede auf Erden ohne Atomkraft und -bomben, Wohlstand und Gerechtigkeit für alle, überall.

Winziger Schönheitsfehler war nur, dass die Siegessäule zwar in Sichtweite, aber doch zwei Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt steht, dem historischen Symbol für Frieden in Europa schlechthin. Kanzlerin Merkel hatte ihm den Platz für die Show verwehrt, weil sie dem eine zweifelhafte künftige Tradition und sich Komplikationen mit Obamas Gegenkandidaten ersparen wollte. Was SPD und Grüne ihr seither als außenpolitischen Fehler vorhalten: Seither fremdle Obama mit Deutschland.

Aber selbst Oppositionspolitiker räumen inzwischen ein, dass sich die beiden Pragmatiker einfach nicht mehr so viel zu sagen haben wie ihre Vorgänger, die Zeiten sind andere und damit die Prioritäten: Obama ist noch innenpolitischer orientiert als etwa George Bush oder Bill Clinton und wenn er über die US-Grenzen sieht, dann vor allem in Richtung China. Merkels Politik wiederum geht in den Problemen Europas und seiner Währung auf, zu denen die USA eher Unverständnis bis Schadenfreude pflegen.

Höhepunkt

Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer
German Chancellor Angela Merkel meets U.S. President Barack Obama at the G20 Summit in Cannes in this November 3, 2011 file photo. To match Special Report GERMANY-MERKEL/ REUTERS/Kevin Lamarque/Files (FRANCE - Tags: POLITICS)
Wie gut die Beziehungen zwischen Merkel und Obama und ihren Ländern zu einander sind, das soll dieser erste Besuch des nunmehr schon in zweiter Amtszeit regierenden US-Präsidenten beweisen. Deshalb ist der Höhepunkt seiner 25 Stunden und 40 Minuten in Berlin eine Rede vor dem Brandenburger Tor am Mittwoch um 15 Uhr. Sie soll in ihrer historischen Bedeutung der hier fast auf den Tag genau vor 50 Jahren gehaltenen seines Vorgängers und Parteifreundes John F. Kennedy gleichen. Der wurde damals von den in der DDR-Mauer eingeschnürten Berlinern für seinen Satz „Ik bin en Bölinrr“ enthusiastisch gefeiert (siehe unten).

Diesmal werden dem US-Präsidenten aber nur einige Tausend handverlesene Zuhörer Beifall zollen, zu groß ist das Sicherheitsrisiko und zu klein angeblich der Platz vor dem Tor. Und natürlich wird auch Merkel sprechen und etwas freundliche Nüchternheit zu dem historisch Aufgeladenen beitragen.

Dass sich das Allermeiste von Obamas 2008 Versprochenem als bestenfalls gut gemeinte, aber naive Schimäre herausgestellt hat, wird sie freilich nicht sagen. Wie die große Mehrheit der Deutschen wird sie ihm das großzügig nachsehen. Merkel widersprach allerdings auch nie deren Hass auf Obamas Vorgänger George W. Bush, der nicht nur von deutschen Medien zum Symbol des ungeliebten US-Kapitalismus schlechthin stilisiert wurde.

Der Krieg gegen den Terror mittels Kampf-Drohnen im rechtsfreien Raum wäre Bush ebenso als unmoralisch angelastet worden wie die Weiterführung des Gefangenenlagers Guantanamo. Bei Obama finden das drei Viertel der Deutschen aber Okay. Sogar die weltweite US-Internet-Spionage konnte sein Image als cooler Präsident bei den Deutschen nicht trüben.

Die Air Force One ist gelandet

Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

GERMANY USA OBAMA VISIT
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

GERMANY USA OBAMA VISIT
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

Barack Obama along with Michelle Obama and daughte
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

A police marksman observes from atop Ritz Carlton
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

US President Obama waves from Air Force One upon
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

Bystanders watch as the motorcade with US Presiden
Obama in Berlin: Sie lieben ihn – noch immer

Bystanders watch as the motorcade with US Presiden

Wenig Gesprächsbedarf

Politisch gibt es ohnehin kaum Kontroverses, das nicht schon beim G-8-Gipfel in Nordirland besprochen worden wäre: Das Freihandelsabkommen EU/USA, das in beiden Zonen Arbeitsplätze kreieren soll, die aktuellen Differenzen um Waffen für Syriens Rebellen und die alten vom Sparen oder Geld-Drucken zur Krisenbewältigung. Und das US-Abhörprogramm nun auch im Internet. Beide wissen aber auch, dass dessen Auslöser, der „11. September“, in Hamburg geplant wurde und unentdeckt blieb – anders als islamistischer Terror in Deutschland seither, den nur konkretes Abhören der US-Stellen verhinderte.

Obamas Freundschafts-Besuch wird betont durch die Teilnahme der engsten Familienmitglieder: Gattin Michelle Obama und die zwei Töchter werden von Merkels Mann, dem eher spröden Professor Joachim Sauer, durch Berlins neue und nun wieder freie Mitte begleitet. Der Besuch wird damit der Kanzlerin im gerade wieder heißen Wahlkampf diesmal mehr nützen als Obama – wie herzlich auch immer Bilder und Sprüche ausfallen.

Es ist kein Zufall, dass Barack Obama gerade jetzt in Berlin ist. Es sind nämlich fast auf den Tag genau 50 Jahre vergangen, seit John F. Kennedy an der Mauer seine historische Rede hielt, die mit den Worten endete: „Ich bin ein Berliner!“ In Regierungskreisen rechnet man damit, dass auch Obama in seiner heutigen Ansprache einige Worte auf Deutsch sprechen wird.

Kennedy hat in seiner kurzen Amtszeit auch Wien, London und Rom besucht – aber er hat nie gesagt, dass er ein Wiener, Londoner oder Römer sei. Nur aus Berlin ertönte der legendäre Ruf. Er wollte damit seine Solidarität mit den Berlinern zeigen, weil am 26. Juni 1963, an dem er die einstige (und heutige) deutsche Hauptstadt besuchte, quer durch Berlin eine vier Meter hohe und 100 km lange Mauer lief, die erst zwei Jahre davor errichtet worden war. Mit der Rede am Höhepunkt des Kalten Kriegs schrieb der US-Präsident Geschichte:

„Kommt nach Berlin!“

Er sei stolz, begann Kennedy, neben Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bürgermeister Willy Brandt zu stehen. Um gleich zur Sache zu kommen: „Wenn es Menschen gibt, die nicht verstehen, worum es in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen! Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin kommen... Und es gibt einige, die sagen, der Kommunismus sei ein böses System, aber er bringe wirtschaftlichen Fortschritt. Lasst auch sie nach Berlin kommen!“

Durch die Mauer, meinte JFK, würden Familien mit Gewalt auseinandergehalten. Er gestand in seiner Rede zu, dass auch die Demokratie ihre Schwächen hätte, „aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen“.

Vier Worte auf Deutsch

Dann folgten die Worte, die viele zu Tränen rührten: „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner!“ Kennedy sprach die letzten vier Worte auf Deutsch mit amerikanischem Akzent. Als der Simultanübersetzer auch diese Worte auf Deutsch wiederholte, sagte der Präsident lächelnd: „Ich bin dem Dolmetscher dankbar, dass er mein Deutsch übersetzt hat.“

Nach der umjubelten Rede hielt Kennedy eine weitere an der Freien Universität Berlin, in der er die Studenten prophetisch wissen ließ, dass es eines Tages zur Wiedervereinigung kommen würde.

Kennedy wäre, als die Mauer im November 1989 fiel, 72 Jahre alt gewesen, er hätte den Zusammenbruch des kommunistischen Systems also unter normalen Umständen erleben können.

Er fiel jedoch am 22. November 1963 einem Mordanschlag zum Opfer.

Nur knapp zweieinhalb Jahre sollte es dauern, bis der flammende, aber damals völlig illusorisch scheinende Appell von US-Präsident Ronald Reagan wahr wurde. Am 12. Juni 1987 hielt Reagan von einem Holzgerüst, das vor den Sperranlagen der Berliner Mauer am Brandenburger Tor aufgebaut worden war, seine legendäre Rede. Darin forderte der überzeugte Anti-Kommunist Reagan den damaligen Staats- und Parteichef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow auf: „Kommen Sie hier zu diesem Tor! Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“ Damals schien ein Ende der kommunistischen Welt noch unvorstellbar, eine deutsche Wiedervereinigung ein ferner Wunschtraum.

Ronalds Reagans Aufruf wurde fast so berühmt wie John F. Kennedys Sager: „Ich bin ein Berliner“ – beide Ansagen hatten die gleichen Motive: Solidarität mit der zwischen kommunistischem Osten und dem demokratischen Westen geteilten Hauptstadt, vor allem aber eine Kampfansage für die freie Welt.

Anders als JFK erlebte Ronald Reagan, wenn auch nicht mehr als aktiver Präsident, den Fall der Mauer und des gesamten Eisernen Vorhanges noch mit. Drei Jahre nach dem Fall der Mauer wurde er zum Ehrenbürger von Berlin ernannt.

Sie hatten den selben Vater und lernten einander doch erst spät kennen: Barack Obama und seine ältere Halbschwester Auma (Bild oben). Beim Berlin-Besuch des US-Präsidenten und seiner mit Spannung erwarteten Rede wird heute, Mittwoch, auch seine in Kenia lebende Familienangehörige dabei sein. Anders als Barack Obama hat seine Schwester einen engen Bezug zu Deutschland. Sie hatte in Heidelberg, Saarbrücken, Bayreuth und Berlin studiert. Dort war Auma Obama auch, als im November 1989 die Berliner Mauer fiel.

Kommentare