Einreiseverbot für türkischen Minister: Kern unterstützt Kurz

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci bei einem Auftritt im März in Köln
Der türkische Wirtschaftsminister würde mit einem öffentlichen Auftritt bei einem Putschgedenken "eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" darstellen, meint der Außenminister. Darf Kurz das?

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci darf aktuell nicht in Österreich einreisen. Das teilte das Außenministerium am Montag mit. Zeybekci wollte am kommenden Sonntag an einer Veranstaltung in Wien-Liesing zum Gedenken an den ersten Jahrestag des Putschversuchs in der Türkei teilnehmen.

Die Entscheidung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist laut Aussendung darin begründet, dass der türkische Minister "ausschließlich zum Zwecke eines öffentlichen Auftritts" hierherkommen wollte: "Es besteht Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich." Zu einem bilateralen Besuch wäre Zeybekci hingegen "natürlich willkommen", hielt das Ministerium weiter fest.

Kurz sagte dazu gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, dass er nicht wolle, dass die "aufgeheizte Stimmung" in der Türkei nach Österreich gebracht wird. "Wenn diese Spannungen nach Österreich hereingetragen werden, dann ist das etwas, was ich klar ablehnen muss."

Kern unterstützt Kurz

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) unterstützte Kurz. "Hier geht es darum, dass die türkische Regierung und ihr Präsident (Recep Tayyip Erdogan, Anm.) politischen Einfluss in Österreich ausüben wollen. Das geht nicht, das werden wir nicht zulassen", sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Nach Angaben von Kerns Sprecher Nikolai Moser war die Entscheidung für ein Verbot im Vorfeld zwischen Außenministerium und Bundeskanzleramt akkordiert worden.

Das türkische Außenministerium protestierte gegen den Schritt und sprach von einem "warnenden Beispiel": "Österreich ist in der Verteidigung demokratischer Werte nicht ehrlich", teilte Ankara am Montag mit. "Der ehrenwerte Wirtschaftsminister wollte an einer Veranstaltung teilnehmen, mit der den Gefallenen und Verletzten gedacht werden sollte, die sich dem verräterischen Putschversuch entgegengestellt haben, um die Demokratie zu verteidigen."

Die Reaktion des Wirtschaftsministeriums in Ankara sorgte indes für etwas Verwirrung. Es teilte mit, der Minister habe eigentlich in Wien den Außen- und Wirtschaftsminister treffen wollen, "um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich zu vertiefen". Dieser Wunsch sei aber der österreichischen Seite noch gar nicht mitgeteilt worden. Weiter hieß es: "Wir haben nicht beantragt, eine Veranstaltung zum 15. Juli organisieren." Die geplante Veranstaltung wird allerdings von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) Austria, einem in Österreich eingetragenen Verein, organisiert.

Stellt sich die Frage: Darf die österreichische Regierung ausländischen Politikern die Einreise bzw. öffentliche Auftritte in Österreich untersagen?

Was darf die Regierung?

Will die österreichische Regierung Wahlauftritte ausländischer Politiker verhindern, gibt es diplomatische Wege. Den Unterschied macht eine private oder offizielle Einreise.

Besuche nur mit Erlaubnis

Will ein ausländischer Politiker nach Österreich reisen, kann das in Form eines offiziellen Besuchs geschehen. Es gibt verschiedene diplomatische Abstufungen von solchen Reisen: Staatsbesuche, Offizielle Besuche, Offizielle Arbeitsbesuche oder einfache Arbeitsbesuche. Die höchste Form ist der Staatsbesuch mit höchsten diplomatischen Ehren. Alle gemeinsam haben sie, dass die nur auf Einladung des Gastgeberstaats erfolgen. Solche Besuche können also nur mit ausdrücklicher Erlaubnis passieren.

Private Einreise

Privat reisen immer wieder ausländische Politiker nach Österreich. Selbst als Privatpersonen genießen Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister eine diplomatische Sonderstellung, also absolute Immunität, Unverletzlichkeit und Gastgeberländer haben den Schutz dieser Personen zu gewährleisten. Das bedeutet nicht, dass sie sich alles erlauben können. "Wenn jemand wirklich unter der Prämisse der Privatperson kommt, dann darf er sich natürlich nicht in einer Staatsfunktion betätigen, denn dann hätte er das vorher mit dem Gastland absprechen müssen", sagte der Völkerrechtler Stephan Wittich von der Universität Wien auf eine frühere Anfrage zum selben Thema Anfang März zum KURIER.

Ultima ratio: "Persona non grata"

Sollte nun also ein Staatsoberhaupt oder Regierungschef privat einreisen, aber eine Wahlveranstaltung mit eindeutig offiziellem Charakter veranstalten oder als Redner besuchen, könnte Österreich Protest einlegen. Verhindern ließe sich die Veranstaltung auf diplomatischem Wege wohl schwer. "Wenn es hart auf hart geht, wird es sehr schwierig als Gastgeberstaat", sagt Wittich. "Es besteht aber die Möglichkeit, dass man die Person bittet, das Land zu verlassen." Ein Diplomat könne zur unerwünschten Person, zur 'persona non grata' erklärt werde, und eine Frist für die Ausreise gesetzt werden. Verstreicht diese Frist, verliert er seine diplomatische Stellung. "Diese Regel gilt auch für Staatsoberhäupter", sagt Wittich. "Das ist aber sehr heikel, das wäre eine absolute Eskalation."

UETD bezeichnet Einreiseverbot als "undemokratisch"

Als "undemokratisch" hat die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Österreich indes das gegen den türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci verhängte Einreiseverbot bezeichnet. "Das ist eine rein populistische Haltung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP, Anm.)", sagte UETD-Austria-Sprecher Ramazan Aktas am Montag.

Die in mehreren europäischen Ländern vertretene UETD steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe. Zeybekci sollte am kommenden Sonntag im Rahmen einer von UETD-Austria ausgerichteten Veranstaltung in Wien-Liesing über den Putschversuch vor einem Jahr in der Türkei sprechen. Der Minister habe den Putsch damals im Parlamentsgebäude in Ankara selbst miterlebt, sagte der Sprecher.

Mit der Gedenkveranstaltung "wollen wir zeigen, wie demokratisch die türkische Bevölkerung ist", betonte Aktas. Seit Monaten höre man nämlich in den hiesigen Medien, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein "Diktator" sei oder dass die Türken bei dem Verfassungsreferendum im April für eine "Diktatur" gestimmt hätten. Der Sprecher beklagte auch zweierlei Maß Österreichs im Umgang mit den politischen Kräften der Türkei: "Die Stände der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans, Anm.), dieser Terrororganisation, sieht man auf jeder Straße! Diese bekommen eine Erlaubnis - aber Menschen, die für die Demokratie sind, bekommen keine Zusage, mit ihrem Minister zusammen zu sein."

Das Wiener Außenministerium argumentiert wiederum, man wolle "nicht, dass innenpolitische Konflikte in der Türkei nach Österreich getragen werden", sagte Sprecher Thomas Schnöll der APA. Allerdings sei Österreich "absolut an einer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der Türkei interessiert", betonte er.

Deutschland: "Hochrangiger Vertreter" der Türkei beantragte Auftritt

Ein hochrangiger Vertreter der Türkei möchte angesichts des Jahrestages des gescheiterten Militärputsches in Deutschland vor Anhängern auftreten. "Inzwischen liegt in der Tat ein Antrag vor, den wir derzeit prüfen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Um wen es sich handelt, wollte er nicht sagen. "Ich kann ihnen nur sagen, es handelt sich nicht um ein Regierungsmitglied."

Die deutsche Bundesregierung hatte den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor dem G-20-Gipfel am Wochenende nachdrücklich gewarnt, am Rande oder nach dem Gipfel in Deutschland vor Anhängern öffentlich zu sprechen. Erdogan steht als Präsident über der Regierung.

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