Kurz blockiert Türkei-Verhandlungen

Außenminister Kurz (l.), EU-Kommissar Hahn (M.) und der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak.
Österreichs Außenminister setzte durch, dass keine neuen Kapitel eröffnet werden. Die EU-Staaten sind gespalten.

Sebastian Kurz ist bis zuletzt hart geblieben: Er hat eine gemeinsame Türkei-Erklärung der EU-Außenminister blockiert. Ein Text, der das Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei festlegt, kam nicht zustande. Kurz verlangte ein Statement im Einklang mit der parteiübergreifenden Resolution des Europäischen Parlaments.

Mehrere Stunden dauerten am Dienstag die Verhandlungen. Unbeirrt hielt Kurz an seiner Position fest und beharrte darauf, die Beitrittsverhandlungen wegen der "schrecklichen Entwicklungen in der Türkei" sofort auf Eis zu legen. Damit setzte er sich nicht durch, er konnte aber erreichen, dass keine weiteren Kapitel geöffnet werden.

Balkan-Erweiterung

Durch das Veto des Außenministers gab es keine Schlussfolgerungen aller 28. Um den gesamten Erweiterungsprozess der Balkanländer nicht zu blockieren, veröffentlichte der slowakische Ratspräsident Miroslav Lajčák eine Erklärung der 27 EU-Staaten. Darin enthalten ist der Satz von Außenminister Kurz wonach "unter den gegebenen Umständen (Massenverhaftungen von Oppositionellen, Missachtung des Rechtsstaates, Anm.) keine neuen Kapitel mit der Türkei eröffnet werden". Dafür ist Einstimmigkeit nötig.

Kurz begrüßte die heftige Türkei-Debatte und die erzielte Änderung des Textes. "Wir müssen ehrlich über die Türkei reden. Dass es keine Zustimmung aller 28 gab, ist auch ein Signal", betonte er gegenüber dem KURIER.

Recht behalten

Der Außenminister ist überzeugt, dass "der Tag kommen wird, wo sich alle EU-Mitglieder die Frage stellen, wie weiter mit der Türkei". Unmissverständlich und selbstbewusst gab er zu verstehen, dass er mit seiner Türkei-Position recht behalten werde – so wie es auch mit der Schließung der Balkan-Route der Fall war.

Kurz lässt die Zeit für sich arbeiten und betrachtet die EU-Abgeordneten als "enge Verbündete". Die Europa-Parlamentarier haben kürzlich mit großer Mehrheit für das Einfrieren der Türkei-Beitrittsverhandlungen gestimmt. "Das Europäische Parlament hat ein mutiges und richtiges Signal gesetzt. Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Außenminister ist, dieses Signal zu zerschlagen", sagte Kurz und erinnerte daran, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan die Entschließung als irrelevant bezeichnete und der EU-Volksvertretung Terrorismus-Unterstützung vorwarf. "Es wäre nicht angebracht, das Europäische Parlament links liegen zu lassen und zu zeigen, es ist wirklich irrelevant", betonte Kurz.

Demgegenüber warnte der deutsche Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), davor, dass Europa der Türkei die Türen zuschlage. "Wir sind uns im Klaren, dass die Lage in der Türkei nicht gut ist, und wir haben deutliche Kritik geäußert. Aber aus dieser Kritik sollte sich nicht schlussfolgern, dass wir eine Tür zuschlagen", sagte Roth.

Kurz hielt entgegen, dass es "ein großer Unterschied ist, ob man mit einem Staat im Dialog steht, oder ob man einem Staat vorgaukelt, dass der Beitritt in die Europäische Union nahesteht."

Verwundert zeigte sich der Außenminister über das Verhalten mancher Amtskollegen, die öffentlich die Türkei kritisieren, dann aber nicht den Mut hätten, für das Einfrieren der Beitrittsverhandlungen zu stimmen. "Unverständlich ist, dass gerade die Briten, die die EU verlassen wollen, Befürworter eine soften Linie zur Türkei sind."

Erweiterungskommissar Johannes Hahn hielt sich aus dem Streit heraus und bezeichnete die ganze Debatte als "künstlich". Seit dem verhinderten Putsch im Juli gebe es ohnehin keine Gespräche mehr mit der Türkei.

Eines zeichnete sich nach dem Treffen der EU-Außenminister ab. Das Thema "Beitrittsverhandlungen mit der Türkei" wird nicht an die Staats- und Regierungschefs weitergereicht, die sich zum EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel treffen.

Das kommt so manchen EU-Granden, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder EU-Ratspräsident Donald Tusk, nicht ungelegen, denn keiner will derzeit – neben den vielen anderen Problemen – eine Grundsatzdebatte über die Beziehungen der EU zur Türkei führen.

ÖVP- und SPÖ-Linie

Kurz erwartet sich allerdings, dass Bundeskanzler Christian Kern beim EU-Gipfel die Türkei-Frage sehr wohl anspricht und die österreichische Position erläutert.

Der Bundeskanzler erklärte gegenüber dem KURIER nur so viel: "Die Türkei ist wirtschaftlich und strategisch ein wichtiger Partner, aber kein Beitrittskandidat." Er habe sich schon im Sommer dezidiert gegen die Fortführung der Beitrittsverhandlungen ausgesprochen und einen sofortigen Stopp gefordert. "In der Türkei-Politik ziehen wir an einem Strang", betonte der Außenminister.

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