"Am Ende wird es Frieden geben"
Diyarbakir, die heimliche Hauptstadt der türkischen Kurden, wurde für den heutigen Tag speziell herausgeputzt. Alle Hauptstraßen sind gesäumt mit Postern und Fähnchen für das „Newroz“-Fest, das für die Kurden stets am 21. März das Neujahr markiert. Doch heuer hat es einen besonderen Glanz, verheißt es doch das Ende eines fast 30 Jahre alten Konflikts mit dem türkischen Staat, der 40.000 Tote forderte.„Die Erklärung wird historisch sein“, hatte Abdullah Öcalan schon im Vorfeld wissen lassen. Konkret: Am Donnerstag will der inhaftierte Führer der Kurden-Guerilla PKK einen umfassenden Waffenstillstand verkünden.
Zudem sollen sich bis 2014 alle Kämpfer über die Grenze in den Nordirak zurückziehen.Was die PKK und die 15 Millionen Kurden im Gegenzug erhalten, ist noch nicht ganz klar. Sie fordern Garantien für ihre kulturelle und politische Identität, unter anderem Selbstverwaltung.
Dies soll in der neuen Verfassung geregelt werden, die derzeit ausverhandelt wird. In einigen Punkten ist Ankara den Kurden schon entgegengekommen: So ist die kurdische Sprache vor Gericht nun erlaubt, und als Wahlfach können Schüler künftig auch Kurdisch belegen.
Gegossen wurde die Basis für den historischen Friedenspakt in monatelangen Geheimgesprächen zwischen dem türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan und Öcalan. Dabei galt der 1999 in Kenia festgenommene PKK-Führer, dessen Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt wurde, früher als „Ober-Terrorist“, mit dem es nie Verhandlungen geben könne. Doch der Wind hat sich gedreht: Mittlerweile stehen zwei Drittel der Türken hinter der Kurden-Politik von Premier Erdogan.
"Große Sache"
"Was in der Türkei passiert, ist eine große Sache. Am Ende des Tages wird es Frieden für alle geben", zeigt sich der Obmann des Verbandes der Kurdischen Vereine in Österreich, Hüseyin Akmaz, sehr erfreut. Im KURIER-Interview verweist er aber auf noch offene Fragen. „Wir wollen eine Wahrheitskommission, die die Verbrechen während des Konflikts aufarbeitet, und die Entlassung der politischen Gefangenen.
Aktuell sind 8000 bis 10.000 Kurden inhaftiert, darunter auch viele frei gewählte Bürgermeister.“Akmaz wünscht sich zudem, dass Öcalan freikommt, „das geht in der Realität derzeit aber nicht“. Also hofft er wie viele andere Kurden, dass der strenge Haftvollzug des PKK-Chefs in einen Hausarrest umgewandelt wird. Erdogan hat sich zwar dagegen ausgesprochen, aber auf der Gefängnisinsel Imrali, wo Öcalan seine Strafe absitzt, wird laut Akmaz gerade ein neues Haus gebaut.
Türkei - Jeder Fünfte ist Kurde
Verbreitungsgebiet Die kurdische Bevölkerung lebt vorwiegend in Zentral- und Ostanatolien. Während des Konflikts sind viele in den Westen geflüchtet, vor allem nach Istanbul. Von den 75 Millionen türkischen Staatsbürgern sind rund 15 Millionen kurdischer Abstammung, also jeder Fünfte.
PKK Die Arbeiterpartei Kurdistans PKK nahm 1984 den bewaffneten Kampf auf – zunächst für einen eigenen Staat, jetzt für Autonomie.
Die geplante Waffenstillstands-Erklärung von PKK-Führer Öcalan ist der große Durchbruch im türkischen Kurden-Konflikt. Endlich – nach 30 Jahren Kampf und 40.000 Toten.Warum gerade jetzt?
Dafür gibt es drei Gründe. Regierungschef Erdogan will Staatschef werden, vorher aber per Verfassungsänderung das repräsentative Amt zum Epizentrum der Macht umgestalten. Der Deal: Die Kurden erhalten mehr Rechte, dafür stimmen deren Abgeordnete im Parlament für ein neues Grundgesetz. Zum Zweiten brachten die Ereignisse in Syrien Erdogan unter Zugzwang.
Dort kontrollieren Kurden weite Landesteile. Pläne eines Groß-Kurdistan von Syrien über die nordirakische Autonomie-Region bis zu den türkischen Kurden-Gebieten machten die Runde. Und schließlich kann Erdogan die von ihm angestrebte Rolle eines regional und global players nur dann glaubwürdig ausfüllen, wenn er den Konflikt im eigenen Haus zu lösen vermag. So betrachtet: Gewinner auf allen Seiten, die sich die Früchte auch durch Störfeuer nicht mehr nehmen lassen werden.
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