Zumindest aus geografischer Sicht ist die Distanz zwischen dem Vatikan und Budapest überschaubar. Ideologisch ähnelt die Entfernung zwischen Papst Franziskus und Viktor Orbán einem Graben: Morgen Sonntag schüttelt der als revolutionär und liberal beschriebene Papst dem konservativen, zunehmend autoritär agierenden Regierungschef Ungarns die Hand.
Der Papst ist unterwegs im teils noch recht traditionell geprägten Osteuropa. Im Rahmen des Eucharistischen Weltkongresses stattet das Oberhaupt der katholischen Kirche Ungarns und der Slowakei einen Besuch ab. Auf dem Programm stehen Treffen mit Vertretern aus Kirche und Gesellschaft sowie mehrere Gottesdienste.
Lieber Paul als Franziskus
Die Euphorie hält sich jedoch in Grenzen: Ursprünglich waren zu den Gottesdiensten in der Slowakei nur Geimpfte zugelassen. Aufgrund der bislang niedrigen Anmeldezahlen gilt nun aber die 3-G-Regel: Auch Genesene und Getestete werden zugelassen. Grund für den ausbleibenden Andrang dürfte nicht nur die Skepsis unter der slowakischen Bevölkerung gegenüber der Impfung sein (aktuell sind nur 40,2 Prozent der Slowaken vollständig geimpft): Teilen der gläubigen Bevölkerung ist der Papst zu unkonventionell, zu revolutionär. Glaubt man diversen Umfragen, dann gilt sein Vorvorgänger Johannes Paul II als wesentlich beliebter – er galt als Verfechter des Staus quo der katholischen Kirche.
Unkonventionell, revolutionär – stimmen diese Attribute mit Papst Franziskus noch überein? Seit sieben Jahren ist der 84-Jährige das Oberhaupt der katholischen Kirche, galt als Hoffnungsträger für einen Aufbruch des klerikalen Systems. Was ist von der anfänglichen Euphorie geblieben? Was hat Papst Franziskus geschafft?
Durch die Blume gesagt
"Ziemlich viel", ist sich der Theologe und Religionssoziologe Paul Zulehner sicher: "Er hat den synodalen Prozess (Ziel, die kirchlichen Strukturen weiterzuentwickeln, Anm.) in Gang gesetzt, dafür wird er in die Geschichte eingehen. Er hat die pastorale Kultur verändert: In seinen Predigten moralisiert er nicht mehr, sondern heilt. Und es geht ihm wirklich um die Armen, so wie er das auch angekündigt hat."
Dass der Papst nur einige Stunden in Budapest, in der Slowakei jedoch mehrere Tage verbringt, verstärkt die Gerüchte, denen zufolge sich der Papst ursprünglich geweigert hatte, Ungarns konservative Regierung im Rahmen der Reise zu treffen.
Den kurzen Zwischenstopp in Ungarn im Gegensatz zum mehrtägigen Aufenthalt in der Slowakei sehen einige Medien als Kritik an Victor Orbán und seiner konservativen Politik – etwa an seiner restriktiven Flüchtlingspolitik und an dem erst unlängst verabschiedeten umstrittenen Gesetz zur Einschränkung der Informationsfreiheit über Homo- und Transsexualität.
Zulehner glaubt, dass der Papst diese Kritik auch in seiner Messe kundtun wird – natürlich sehr diskret: "Er wird von der Eucharistie sprechen, dem Zusammensitzen aller Menschen mit gleicher Würde – ganz gleich ihrer Sexualität, Religion oder Herkunft – am selben Tisch. Argumentieren wird er das in erster Linie aber nicht politisch, sondern theologisch. Und wer ihm gut zuhört – das wird auch ein Christ namens Viktor Orbán tun – wird sich mit damit auseinandersetzen müssen."
Internationale PR-Show
Laut Zulehner sei es auch für Orban wichtig, sich mit dem Papst gut zu stellen – und wenn auch nur für die (inter-)nationale Reputation: "Orbán hat alles dafür getan, um den Papst zu treffen. Konservative, traditionelle Machthaber umgeben sich gern mit Religionsführern. Das macht Putin mit dem Patriarchen und machte Trump mit den Evangelikalen."
Ein wichtiger Programmpunkt wird der Besuch bei der Roma-Minderheit in der zweitgrößten slowakischen Stadt Kosice, dem Zentrum der Ostslowakei, am Dienstag sein. Mit Spannung wird erwartet, welche Worte der Papst inmitten des sozialen Brennpunkts am äußersten Rand der EU wählt. Zulehner rechnet mit einem Foto des Papstes beim Fußballspielen mit ein paar Straßenkindern – eine reine PR-Show?
"Und wenn dem so ist? Ich würde das nicht negativ bewerten. Der Papst demonstriert so unübersehbar, wo die Kirche eigentlich stehen soll: an der Seite der Schwächeren am Rand der Gesellschaft. Das zeigt der Papst, indem er in die Roma-Siedlung geht, anstatt sich noch länger mit Orban zu beschäftigen", meint Zulehner.
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