Kritik an Zeman von allen Lagern

Zeman wollte wieder einmal sein Mütchen kühlen
Der Präsident brüskiert viele im Land, weil er einen Holocaust-Überlebenden als Spielball missbraucht

Ausgerechnet der Besuch des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama vorige Woche in Prag hat einen politischen Kleinkrieg in Tschechien ausgelöst. Die Folgen können die Tschechen heute Abend live im Fernsehen begutachten: Der Ordensverleihung, dem Höhepunkt der staatlichen Zeremonien zum Nationalfeiertag, wollen aus Protest gegen Präsident Milos Zeman viele Top-Repräsentanten aus Staat und Gesellschaft fernbleiben. Was ist passiert?

Der Holocaust-Überlebende Jiri Brady hätte, wie er vor zwei Wochen von der Prager Burg informiert worden sei, von Zeman heute mit einem Orden ausgezeichnet werden sollen. Der 88-Jährige reiste aus Kanada in seine alte Heimat – doch die Ehre bleibt ihm verwehrt. Sein Neffe, Tschechiens Kulturminister Daniel Herman, hatte – trotz Warnungen Zemans – den Dalai Lama in Prag getroffen. Aus "Rache", wie Herman es nennt, wurde sein Onkel von der Nominierungsliste gestrichen.

Das sei eine "Lüge", polterte Zemans Sprecher Jiri Ovcacek. Jedes Jahr gebe es eine Menge von Vorschlägen, akzeptiert werde nur ein Bruchteil.

Boykott des Festaktes

Der Streit beherrscht seit Tagen die tschechische Innenpolitik, für Zemans Festakt hagelte es Absagen aus allen Lagern. Die mitregierende christdemokratische Partei KDU-CSL, die konservative ODS und auch Karel Schwarzenbergs Partei Top 09 wollten geschlossen fehlen. Auch der sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka drängte auf die Ehrung.

Gestern nahm Sobotka die Dinge selbst in die Hand: Er verlieh Brady die Karel-Kramar-Medaille. Sobotka würdigte Brady für seine Verdienste um die Menschenrechte und die Verteidigung von humanistischen und demokratischen Prinzipien. In offensichtlicher Reaktion auf den Streit um Brady sagte der Premier weiter, es sei unglücklich, so einen Konflikt ausgerechnet um einen Menschen auszutragen, "über dessen Verdienste es keinen Zweifel gibt". Sobotka wolle mit der Verleihung der Medaille "dem Staatsfeiertag die entsprechende Würde zurückgeben".

In Reaktion auf den Streit haben sich auch weitere Institutionen entschlossen, Brady zu würdigen. Kurz nach der Auszeichnung durch Sobotka hat der Holocaust-Überlebende eine Gedenkmedaille des Abgeordnetenhauses überreicht bekommen. Schon am Mittwoch überreichte die Prager Bürgermeisterin Adriana Krnacova den symbolischen "Schlüssel der Hauptstadt Prag".

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