Krisengeplagtes Rumänien übernimmt EU-Vorsitz
Bizarre Szenen an der politischen Spitze des Landes begleiten bis zuletzt die Vorbereitungen auf die anspruchsvolle Aufgabe, für sechs Monate die Schalthebel der EU zu bedienen. Am 1. Jänner übernimmt Rumänien den Ratsvorsitz. Doch Präsident Klaus Iohannis hatte sich beklagt, die sozialdemokratische Regierung sei „nicht genügend auf den EU-Vorsitz vorbereitet“.
In einem Interview mit der Welt meldet heute auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Skepsis an, dass Bukarest „begriffen hat, was es bedeutet, den EU-Vorsitz zu führen“.
Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă zeigte sich unbeirrt von den wachsenden Zweifeln an ihrer Fähigkeit, den EU-Ratsvorsitz gut führen zu können.
Ein Angebot Finnlands, die Präsidentschaft zu tauschen, um Rumänien mehr Zeit für die Vorbereitung zu geben, lehnte die Regierung ab. Die Geste Finnlands, das in der zweiten Hälfte 2019 den EU-Vorsitz übernimmt, wurde in Bukarest als „herabwürdigend“ empfunden.
Dăncilă beschwerte sich über mangelndes Vertrauen: „Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen. Wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäisches Land sind.“ Kurzum: Rumänien wird behandelt wie „ein Mitglied zweiter Klasse“.
Ein Kommissionssprecher widersprach vehement: „Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Ost-West-Kluft in der EU zu schließen.“ Man wolle zudem nicht in interne „politische Interessen“ verwickelt werden.
Übervolle Agenda
Bei all den Turbulenzen gehen das Programm und die Lösung anstehender Probleme völlig unter. Dabei sind die inhaltlichen Herausforderungen für Rumänien enorm.
Am 29. März verlässt das Vereinigte Königreich die EU, ein harter Brexit ist nicht unwahrscheinlich und verbunden mit möglichem Chaos.
Vom 23. bis 26. Mai findet die EU-Wahl statt. Stimmen die Prognosen, werden nationalistische und populistische Parteien dazugewinnen, die EU-kritisch bis EU-feindlich sind. Vom Ausgang der Wahl hängt auch ab, wer künftig die EU-Kommission führen wird.
Inhaltlich wurde die Frage gemeinsamer Asylregeln von Österreich an Rumänien weitergegeben. Das Dublin-System und damit die Verteilung von Flüchtlingen harrt seit Jahren einer grundlegenden Reform.
Auch der mehrjährige EU-Haushalt sollte vor der EU-Wahl beschlossen werden.
Im Mai findet ein Sondergipfel über die Zukunft der EU in Sibiu statt. Auch da werden von der rumänischen Präsidentschaft brauchbare Ergebnisse für eine zukunftsfite Union erwartet – und keine „Bla-bla“-Vorschläge.
Ein heikles Dossier reicht Österreich an Rumänien weiter: Das geplante EU-Verbot von unterschiedlicher Lebensmittelqualität in gleichen Verpackungen in Ost- und Westeuropa. Proteste der Konsumenten in osteuropäischen Ländern gegen Nahrungsmittelkonzerne haben gezeigt, dass in Fischstäbchen in der Slowakei weniger Fisch enthalten ist als in anderen Ländern. Auch Nutella ist im Osten nicht so cremig und schmeckt weniger nach Nougat. Eine „Nutella-Verordnung“ soll das Problem künftig lösen.
Juncker hat Zweifel
Die Agenda für Rumäniens EU-Vorsitz ist voll, Unvorhergesehenes nicht miteingerechnet. In einem Interview mit dem KURIER Ende November verspräch Präsident Iohannis „gute Lösungen“ verbunden mit der Hoffnung, dass „die Kontroversen und diametral entgegensetzten Vorstellungen von mir und der Regierung zu Justiz und Rechtsstaatlichkeit keine negative Auswirkung auf die Ausübung der Präsidentschaft haben werden“.
„Da habe ich einige Zweifel“, sagt Juncker.
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