Vorweg: Zur Zahl gefallener Soldaten auf beiden Seiten gibt es höchst unterschiedliche Angaben. So hatte die ukrainische Armee laut russischem Fernsehen in einem Jahr 157.000 Tote zu verzeichnen, während ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij von 10.000 bis 13.000 sprach. Das Pentagon hingegen geht von ungefähr 70.000 ukrainischen Gefallenen aus.
Umgekehrt hieß es von ukrainischer Seite zuletzt, bis Mitte März seien 165.000 Russen gestorben, Moskau nannte aber nur rund 6.000. Westliche Schätzungen kommen auf auf mehr als 100.000 Verluste.
Die ACLED-Recherche gibt jetzt Aufschluss über registrierte Zivilopfer, die in dem einen Kriegsjahr durch russische Angriffe umgekommen sind:
Die meisten Zivilisten starben demnach gleich nach Kriegsbeginn im März 2022 - rund 3.300. Etwa genauso viele dürften es ein gutes Jahr später, im Februar 2023, gewesen sein. Auch der Jänner wies mit fast 2.800 Fällen viele Opfer auf. Der erneute Anstieg in diesem Jahr dürfte zumindest teilweise auf die russische Winteroffensive in den Donbass-Städten Soledar, Wuhledar und vor allem dem umkämpften Bachmut zurückzuführen sein.
In Relation wenig gezielte Angriffe auf Zivilisten
Allein im Donbass zählt ACLED 16.000 tote Zivilisten in einem Jahr - nur 800 davon sollen gezielt zum Opfer der russischen Armee geworden sein. Viel mehr starben offenbar, weil etwa ihre Häuser von Raketen getroffen wurden oder "zufällig" neben ihnen eine Bombe explodierte. Vor allem bei Kämpfen in urbanen Gebieten erhöhten sich dementsprechend die Opferzahlen.
Zwischen Juni und September wurden vergleichsweise wenig zivile Opfer registriert. In dieser Zeit verlagerte sich der Kampf auf eher periphere Gebiete im Donbass, nachdem die russischen Streitkräfte die Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk eingenommen hatten. Ab September gab es im Zuge der ukrainischen Gegenoffensive Kämpfe in Städten wie Kupjansk, Isjum oder Lyman - die Opferzahlen unter den Zivilisten stiegen wieder:
Die meisten Zivilisten starben zu Kriegsbeginn, als Kiew belagert, Städte wie Charkiw und Mariupol massiv unter Artilleriefeuer genommen wurden.
Die meisten Luft- und Drohnenangriffe wurden im Sommer verzeichnet - allerdings auch die meisten Artillerieschläge. Da diese aber - wie bereits ausgeführt - verstärkt in peripheren Gebieten durchgeführt wurden, hielten sich die zivilen Opferzahlen in Grenzen.
Auch auf russisch okkupierter Seite gibt es - je nach Quelle - zwischen 1.200 und 5.000 zivile Todesopfer zu verzeichnen. Regelmäßig bombardieren die ukrainischen Streitkräfte die Stadt Donezk und treffen dort auch zivile Einrichtungen.
Zivile Opfer anderer Kriege
Laut ACLED starben in zwölf Jahren Ukraine-Krieg insgesamt rund 20.000 Zivilisten. Im Schnitt sind das pro Jahr fast gleich viele beziehungsweise mehr als in anderen Kriegen.
So sollen es in 20 Jahren Vietnam-Krieg (1955 bis 1975) rund 415.000 gewesen sein, pro Jahr also im Durchschnitt rund 21.000.
Im Irak-Krieg (2003 bis 2011) ist von ungefähr 13.300 toten Zivilisten pro Jahr auszugehen – in Summe 120.000, manche Quellen sprechen aber von mehr.
Natürlich sterben in einem Krieg nicht jedes Jahr gleich viele Zivilisten – allein 2006 sollen es im Irak 30.000 gewesen sein.
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