Ende November war er unter jenen thailändischen Gastarbeitern, die im Austausch gegen palästinensische Gefangene im Westjordanland frei gelassen wurden. Wenige Tage vor seiner Geiselnahme war der 37-jährige Thai aus Buriram im Nordosten Thailands in Israel angekommen, er sollte als Gastarbeiter auf einer Avocado-Plantage arbeiten. Vor dem Hamas-Angriff arbeiteten über 30.000 Thais in Israel in der Landwirtschaft, ein Drittel davon sind nach dem Angriff zurück nach Hause geflogen.
Gerade so am Leben erhalten
"Es war kalt in der Nacht, Wasser tropfte von der Decke, und es war immer feucht", erinnert sich Temthong gegenüber der Financial Times. Er wurde in einem Tunnel festgehalten, von draußen drangen die Explosionen der israelischen Bomben in den Untergrund. Eine Mahlzeit am Tag, etwas Brot, hin und wieder Dosenbohnen, Thunfisch oder Fleisch aus der Dose, und ein halber Liter Wasser für zwei Tage – um die Geiseln gerade so am Leben zu erhalten. Geschlafen wurde in Decken auf dem Boden. Damit sich die Geiseln nicht umbrachten, wurden sämtliche Kabel aus dem Raum entfernt.
Temthong wurde gemeinsam mit jenen drei Geiseln festgehalten, die im Dezember irrtümlicherweise von israelischen Soldaten erschossen wurden – vermutlich bei einem Fluchtversuch. Ihre Namen waren Yotam Haim, Alon Shamriz und Samer Talalka, 28, 26 und 22 Jahre alt, zwei jüdische Israelis und ein arabischer Beduine. "Ich fühle mich schlecht für das Glück, das ich hatte", sagt Temthong. Er habe den Mönch in seinem buddhistischen Tempel gebeten, die drei in seine Gebete aufzunehmen.
Temthong erzählt, die drei hätten sich mit Karten spielen oder singen über den Alptraum gerettet, nicht zu wissen, wann man wieder in Freiheit sei. Er selbst konnte kein Wort Hebräisch noch Arabisch, verständigte sich mit Händen und Füßen. Er erinnert sich an einen Tag, an dem die beiden jüdischen Gefangenen von einem Aufseher mit einem Kabel mitgenommen wurden, und an ihre Schreie, die kurz darauf aus dem Nebenzimmer kamen. "Als sie zurückkamen, waren ihre Arme voller Wunden."
Dennoch hofft Temthong, bald zurück nach Israel zu können. Zu erdrückend seien die Geldsorgen: Gehalt habe er keines bekommen. Israel versprach den Geiseln eine finanzielle Entschädigung.
"Er sah nicht aus wie ein Soldat"
Ruti Munder verbrachte 50 Tage als Geisel der Hamas, mit ihrer Tochter und ihrem Enkel. Ihr Mann wird immer noch festgehalten, ihr Sohn wurde beim Angriff der Hamas getötet.
"Die meiste Zeit verbrachte ich eingesperrt in einem kleinen Raum im zweiten Stock eines Krankenhauses", schreibt die 78-jährige Israelin in einem Essay in der New York Times. Es war stickig, sie durfte die Vorhänge nicht öffnen. "Wir haben auf Stühlen geschlafen, als würden wir in einem Krankenhaus warten, ohne Matratze."
Über ihren Aufseher schreibt sie, er habe Mohammed geheißen, "nannte sich selbst einen Hamas-Soldaten, aber er sah nicht wie ein Soldat aus".
"Mohammed sagte mir, dass er ohne die Hamas weder Geld noch Möglichkeiten gehabt hätte. Es war keine wirkliche Entschuldigung, sondern eher eine Erklärung. Aber die bittere Ironie ist, dass wir dank der Hamas jetzt beide nichts mehr haben."
Sie endet den Essay mit dem Wunsch, dass "beiden Völker endlich in Frieden Seite an Seite leben können. Und ich weiß, dass das niemals passieren wird, wenn die Hamas an der Macht bleibt."
"Ich war eine Trophäe"
Yarden Romann-Gat gab im Dezember einen Einblick in die Geiselhaft. Die Deutsch-Israelin war Ende November freigekommen. In einem Interview mit dem US-Sender CBS erinnert sie sich, wie sie nach der Entführung durch die Straßen Gazas geschleppt wurde: "Ich war kein Mensch, ich war eine Trophäe."
In dem Haus, in dem sie festgehalten wurde, ist sie rund um die Uhr von einer männlichen Wache beobachtet worden. Sie habe einen Hidschab zum Anziehen bekommen, sich aber dennoch nicht geschützt gefühlt. Ihre Entführer hätten ihr alles antun können. Sie spricht von der Angst, vergewaltigt zu werden: "Sie beobachteten und bewachten mich 24 Stunden am Tag. Ich fühlte mich hilflos."
Über das Radio hat sie erfahren, dass ihre Schwägerin ebenfalls gefangen gehalten werde, nicht aber ihre dreijährige Tochter und ihr Mann. Sie entkamen der Hamas während der Entführung nach Gaza.
Die Schwägerin von Romann-Gat befindet sich nach wie vor noch in der Gewalt der Hamas. Ihre Familie ist eine jener, die um einen neuen Geisel-Deal kämpft.
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