Kramp-Karrenbauers schwieriger Weg ins Kanzleramt

Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK
Analyse: Die CDU-Chefin droht zu verglühen, bevor sie überhaupt Kandidatin fürs Kanzleramt ist.

Die CDU wieder auf 40 Prozent bringen, mehr auf die Basis hören, den Markenkern der Partei hervorheben – damit warb Annegret Kramp-Karrenbauer im Rennen um den Parteivorsitz der Christdemokraten Ende November. Seit sechs Monaten ist die 56-Jährige – kurz AKK – im Amt, ihre To-do-Liste ist lange.

Die Partei liegt aktuell bei knapp 25 Prozent in den Umfragen. Und das trotz neuer Vorsitzender, die einen anderen Weg einschlug und deutlich konservativer ist als ihre Vorgängerin Angela Merkel. Der Beweis, dass diese Richtung zum Erfolg führt, die offene rechte Flanke schließt, ist bisher ausgeblieben. Bei der EU-Wahl büßte die CDU mehr als sechs Prozentpunkte ein, verlor im Osten an die AfD, im Westen an die Grünen und war besonders für Wähler unter Dreißig unattraktiv. Was mit AKKs Umgang in puncto Klimaschutz und soziale Medien zu tun haben könnte. Aktivisten tat sie als Schulschwänzer ab, auf ein CDU-kritisches YouTube-Video reagierte sie zu spät und mit unklaren Aussagen, die ihr als „Angriff auf die Meinungsfreiheit“ ausgelegt werden konnten.

Die Netzcommunity tobte, in der Partei rumort es seither - auch mit Blick auf mögliche Neuwahlen. Nach sechs Monaten muss AKK wie schon zu Amtsantritt über sich lesen: Kann sie Kanzlerin? Etwas unaufgeregter könnte man feststellen, dass sie einen Fehlstart hingelegt hat und vielleicht noch den richtigen Gang finden muss.

Schwierig für sie: Es gibt in der CDU noch andere, die glauben zu wissen, in welche Richtung es gehen soll. Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, dem Kanzler-Ambitionen nachgesagt werden, kritisierte das Agieren ihres Hauses beim YouTube-Video, sprach sich in der Klimaschutz-Debatte für eine CO2-Steuer aus, die AKK ablehnt. Nun rief er am Wochenende dazu auf, am Merkel-Kurs festzuhalten. Er ortet das CDU-Erfolgsrezept in Merkels pragmatischer Art, Probleme zu lösen, „über die CDU-Stammwähler hinaus viele Bürger anzusprechen“, sagt er in der Welt am Sonntag.

Querschüsse

Das liest sich wie ein Warnschuss an AKK, die sich zuletzt mit Kritik des liberalen Partei-Flügels konfrontiert sah. Sie würde das Thema Klimaschutz zu wenig forcieren und die Grünen würden weiterhin bürgerliche Wähler gewinnen.

Nach ihrem knappen Sieg gegen Friedrich Merz hat sie sich um dessen Anhängerschaft bemüht und fand auch zu ihm einen Draht. Dennoch fordern einige seine Fans, darunter die "WerteUnion", ein Zusammenschluss aus ultrakonservativen Unions-Mitgliedern und -Anhängern, eine Urwahl, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht. Soll heißen: AKK gilt bei ihnen noch nicht als gesetzt. Und Merz, der frühere Fraktionschef und Merkel-Rivale, lässt in Interviews regelmäßig von sich hören. Zuletzt warf er Kanzlerin Merkel vor, zu wenig für den Klimaschutz getan zu haben; dann unkte er über die Große Koalition, die „nicht über den Jahreswechsel hält“.

Aus taktischen Gründen müsste AKK eigentlich darauf hoffen. So würde sich die Kanzlerkandidaten-Frage schneller klären. Denn je länger sie sich im Schatten von Angela Merkel abstrampelt, aber keine Erfolge erzielt, desto eher droht sie zu verglühen. Die Kanzlerin, die sich sehr zurücknimmt, hat ihr neben viel Verantwortung auch inhaltliches Brachland hinterlassen: Statt mit Programmen warb die CDU jahrelang mit Merkel (Slogan: „Sie kennen mich“). Solange sie damit Wahlen gewann, war die christdemokratische Welt auch in Ordnung. Jetzt sieht die Lage aber anders aus. AKK muss das Feld neu bestellen und jede von ihr getroffene Entscheidung; jedes Wahlergebnis geht auf ihr Konto. Die Frage nach der Kanzlerkandidatur (als Parteichefin hat sie das Erstzugriffsrecht) hat sie vertagt und will sie auf einem Parteitag Ende 2020 klären. Bis dahin muss das neue Grundsatzprogramm der CDU stehen. Ob sie sich der Debatte früher stellen muss, werden die nächsten Monate bzw. die SPD mitentscheiden.

Dennoch wird das aktuelle Zündeln um die Kanzlerkandidatur ernst genommen. Das zeigt der Vorstoß von Ralph Brinkhaus. Der sonst zurückhaltende Fraktionschef von CDU/CSU legte sich nun überraschend als erster hochrangiger Unionspolitiker klar auf AKK fest („Sie wird unsere nächste Kanzlerkandidatin sein“), ohne dies näher zu begründen. Vielleich weil ihn dabei eine andere Sorge umtreibt: Parteien, die ihre Vorsitzenden öffentlich demontieren, schaden sich dabei oft selbst.

Kommentare