Warnung vor "katastrophalen Folgen": Europa verschläft den Klimawandel

Trümmer und Grabkerzen in Ahrweiler
EU-Umweltagentur empfiehlt in neuem Report dringend, entschlossen zu handeln. Andernfalls drohen Hunderttausende Tote und Kosten in Billionenhöhe.

Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt, und Europa ist auf die Folgen dieser Erwärmung nicht vorbereitet. Das sind die Schlüssel-Ergebnisse der ersten, umfassenden Klimarisikobewertung, die die Europäische Umweltagentur (EUA) vorgelegt hat.

Die globale Erwärmung werde extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen selbst „in den optimistischsten Szenarien verschlimmern und die Lebensbedingungen auf dem gesamten Kontinent beeinträchtigen“, warnt die EUA.

Gleichzeitig ergab die Analyse, dass die europäischen Strategien und Anpassungsmaßnahmen nicht mit den sich rasant verschärfenden Risiken Schritt halten. „Um die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, müssen die europäischen und nationalen politischen Verantwortlichen jetzt handeln, damit die Klimarisiken sowohl durch rasche Emissionssenkungen als auch durch entschlossene Anpassungsstrategien und -maßnahmen verringert werden“, sagt EUA-Chefin Leena Ylä-Mononen.

Zunehmende Hitze und Hochwasser als besondere Bedrohung

Für den Report identifizierten Dutzende beteiligte Forscherinnen und Forscher 36 Hauptklimarisiken, die in fünf Cluster zusammengefasst wurden: Ökosysteme, Ernährung, Gesundheit, Infrastruktur sowie Wirtschaft und Finanzen. 

21 dieser Risiken erfordern eine sofortige Intensivierung der Maßnahmen, bei acht sei die Situation sogar „besonders dringlich“. Besonders hohe Gefahr geht demnach von der zunehmenden Hitze, Hochwassern, dem schlechten Zustand der Meeres- und Küstenökosysteme sowie der zu geringen Dotierung des entsprechenden Solidaritätsfonds der EU aus.

Als besonderer Hotspot wurde Südeuropa identifiziert, wo Waldbrände und Lebensmittelsicherheit als zusätzliche Hochrisikofaktoren benannt werden – wobei die Risiken für den Nutzpflanzenanbau die Länder Mitteleuropas nur unwesentlich weniger betreffen. Dürren können aber nicht nur die Lebensmittel-, sondern auch die Wasser- und Energieversorgung gefährden.

Es gibt Fortschritte, aber zu langsam

Zwar hätten die EU und ihre Mitgliedstaaten bezüglich des Verständnisses der Bedrohungen und der Vorbereitung darauf „beträchtliche Fortschritte“ gemacht, heißt es im Report. Doch würden die erforderlichen Maßnahmen „angesichts des rapiden Anstiegs des Risikoniveaus zu langsam umgesetzt“.

Werde jetzt nicht entschieden gehandelt, könnten die meisten der identifizierten Risiken bis zum Ende „kritische oder katastrophale Ausmaße“ erreichen. So drohen Hunderttausende Tote durch Hitzewellen, und küstennahe Überflutungen alleine könnten Kosten in Höhe von mehr als einer Billion – also 1.000 Milliarden – Euro jährlich verursachen.

Multiple Krisen können ganze Gesellschaften bedrohen

Zudem kann der Klimawandel bestehende Risiken und Krisen verstärken – etwa, wenn intensive Dürrephasen auf Umweltverschmutzung, ineffizientes Wassermanagement und zu großen Bodenverbrauch treffen.

Und: Klimarisiken können sich von einem System oder einer Region auf andere ausbreiten. Diese „kaskadierenden“ Klimarisiken können dann in weiterer Folge zu systemweiten Herausforderungen führen, die ganze Gesellschaften wirtschaftlich, sozial und politisch bedrohen. Beispiele hierfür sind Mega-Dürren, die zu Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, Störungen der kritischen Infrastruktur sowie Bedrohungen für die Finanzmärkte führen.

Was es braucht, um gegenzusteuern, ist indes schon lange klar. Unter anderem müssen die Emissionen gesenkt, der Schutz der Ökosysteme verstärkt und die Landwirtschaft nachhaltiger gestaltet werden, etwa durch mehr pflanzliche anstatt tierischer Ernährung.

Der Bericht sollte „der letzte Weckruf“ sein, sagt EUA-Chefin Ylä-Mononen.

Der Bericht zum Download (englisch)

Kommentare