Flut an Bewerbungen für Johnson-Nachfolge

BRITAIN-POLITICS
Bereits acht Kandidaten wollen sich der Abstimmung am 20. Juli stellen. Verteidigungsminister Wallace bewirbt sich nicht.

Zahlreiche Schwergewichte der britischen Konservativen wollen den gestürzten Premierminister Boris Johnson beerben. Zwei Minister und zwei Ex-Minister warfen am Samstag ihren Hut in den Ring, womit die Zahl der Kandidaten bereits auf acht anschwoll. Verkehrsminister Grant Shapps, Finanzminister Nadhim Zahawi, Ex-Außenminister Jeremy Hunt und Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid äußerten sich, nachdem das zuständige Komitee ein zügiges Verfahren angekündigt hatte.

Bis 20. Juli sollten die zwei Kandidaten für die Urabstimmung feststehen, sagte Geoffrey Clifton-Brown, Mitglied des zuständigen 1922-Komitees, am Samstag bei Times Radio. Die genauen Regeln und der Zeitplan werden nächste Woche festgelegt.

Verteidigungsminister Ben Wallace teilte indes mit, nicht antreten zu wollen. Der zuvor als Favorit gehandelte Wallace sagte am Samstag, er habe "nach umsichtiger Überlegung und Diskussion mit Kollegen und Familie" entschieden, sich nicht am Bewerbungsprozess zu beteiligen. "Es war keine einfache Wahl, aber mein Fokus liegt auf meinem aktuellen Job und dieses großartige Land sicherzuhalten." Eine Empfehlung sprach der Minister nicht aus. Er hoffe, die Partei konzentriere sich nun auf wichtige politische Fragen.

Johnson bleibt im Amt, bis es Nachfolger gibt

Premier Johnson hatte am Donnerstag seinen Rückzug angekündigt. Er will aber noch im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gekürt ist. Die Zeitung "The Telegraph" berichtete, der neue Partei- und Regierungschef solle am 5. September feststehen. Bisher haben sechs Abgeordnete ihre Bewerbung angekündigt. Nachdem sich Ex-Finanzminister Rishi Sunak am Freitag als erstes Schwergewicht erklärte, warfen am Samstag auch Verkehrsminister Shapps und Finanzminister Zahawi ihren Hut in den Ring. Die Zeitung "Mail on Sunday" berichtete, am Montag werde auch Außenministerin Liz Truss ihre Kandidatur bekannt geben. Laut "Telegraph" könnte es bis zu 15 Interessenten geben.

Die weiteren bisherigen Kandidaten sind Staatssekretärin Kemi Badenoch, Generalstaatsanwältin Suella Braverman und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Unterhaus, Tom Tugendhat. Ihnen werden aber kaum Chancen gegeben. Spekuliert wird auch über ein neuerliches Antreten von Ex-Außenminister Jeremy Hunt. Er war bei der letzten Vorsitzendenwahl im Jahr 2019 als Kompromisskandidat der Johnson-Kritiker ins Finale gekommen, dem späteren Premier dann aber in der Abstimmung der Parteibasis klar unterlegen.

Abstimmungsrunden traditionell nur dienstags und donnerstags

Üblicherweise erklären Bewerber zunächst ihre Kandidatur. Bei mehreren Abstimmungsrunden der Tory-Abgeordneten im Parlament scheidet jeweils der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus. Somit wird der Kreis immer kleiner, bis am Ende zwei Namen übrig bleiben. Per Briefwahl entscheiden dann die Parteimitglieder, wer von diesen beiden die Partei führen soll. Diese Person wird dann auch Premierminister.

Je nachdem, wie lang die Liste ist, kann der Prozess langwierig sein, zumal die Abstimmungsrunden traditionell nur dienstags und donnerstags stattfinden. Das Komitee strebe an, die Liste bis zum Beginn der sechswöchigen Parlamentspause am 21. Juli auf die zwei erforderlichen Kandidaten einzugrenzen, sagte Clifton-Brown. Vor drei Jahren hatten sich sechs Tory-Abgeordnete um den Chefposten beworben.

Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid hatten mit ihren fast zeitgleichen Rücktritten am Dienstag eine Welle von Abgängen ausgelöst und damit den Druck auf Premierminister Johnson erhöht. Dieser kündigte am Donnerstag schließlich seinen Rückzug an.

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