Nach Johnsons Abgang: Hoffnung auf Versöhnung mit Europa

Er war am Freitag der Erste, der offiziell seinen Hut in den Ring warf: Tom Tugendhat, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Konservativen, kündigte in der Tageszeitung Daily Telegraph seine Kandidatur für das Amt des britischen Premiers an. Dabei versprach er nicht nur die ohnehin erwartbaren Steuersenkungen und eine breitere Ausrichtung der Partei, sondern unüberhörbar auch eine neue Linie in der Europapolitik. Er werde die „Spaltung durch den Brexit beenden“ und eine Versöhnung einleiten – und das offensichtlich nicht nur innenpolitisch, sondern auch gegenüber Brüssel.
"Ziehen wir Brexit durch"
Merklich andere Töne also, als jene, die von Boris Johnson zu hören waren. Der hatte ja schon seinen Wahlkampf 2019 mit der Parole „ziehen wir den Brexit durch“ bestritten. Doch als Johnson Anfang 2021 den EU-Austritt endgültig in die Praxis umgesetzt hatte, wurde rasch klar, dass da vieles schlicht nicht funktionieren konnte. Vor allem das sogenannte „Nordirland-Protokoll“, das in einem endlosen Tauziehen zwischen London und Brüssel zusammengeflickt worden war, führte geradewegs ins Chaos und zu Verärgerung auf beiden Seiten der irisch-nordirischen Grenze.
Leere Versprechen
Johnson ließ eine Reform des umstrittenen Protokolls ausarbeiten, bei der man die EU konsequent außen vor ließ: In Brüssel sieht man das Papier als offenen Vertragsbruch und lehnt es ab. Aus der von Johnson versprochenen „Stabilität“ in den Beziehungen zu Europa ist also genauso wenig geworden, wie aus der Idee vom „globalen Großbritannien“, das weltweit neue Handelsbeziehungen aufbaut. Die Frustration ist groß, etwa bei den Fischern, die wegen der ausufernden Exportformalitäten ihre Ware nicht mehr rechtzeitig an die Europäer loswerden. Entsprechend miserabel sind die Umfragewerte für die Brexit-Politik der Regierung. Mehr als zwei Drittel der Briten halten sie für schlecht.
Freundliche Signale
Doch auch in der EU hofft man auf Verbesserung der eingefrorenen Beziehungen – und setzt dafür freundliche Signale. Tschechien etwa, das gerade den EU-Ratsvorsitz führt, hat den britischen Regierungschef – wer immer das auch dann sein wird – zum EU-Gipfel im Oktober nach Prag geladen. An eine Rückkehr der Briten in die EU will aber niemand glauben. Zu hoch seien die politischen Hürden.
Vorerst aber macht sich bei europäischen Spitzenpolitikern Schadenfreude über Johnsons Abgang bemerkbar. Deutlich macht das etwa Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire: „Ich werde ihn nicht vermissen. Jetzt ist auf jeden Fall bewiesen: Brexit gemischt mit Populismus ist kein guter Cocktail für eine Nation.“
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