USA

Sanfte Töne, platte Sprüche im US-Wahlkampf

Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner auf der Überholspur: Ben Carson
Ein stockkonservativer schwarzer Arzt punktet im US-Vorwahlkampf als Gegenmodell zu Trump.

Ein sprachliches Schlafmittel mit Langzeitwirkung sei dieser Carson, platzte ein enger Berater von Präsident Obama noch Mittwochnacht per twitter in die gerade laufende TV-Debatte. Drei Stunden lang gab es auf dem US-Nachrichtensender CNN das beliebte Spiel alle gegen einen zu sehen. Donald Trump, bislang einsam an der Spitze im Rennen um den Posten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, musste sich gegen die Attacken seiner Mitbewerber wehren.

Acht von diesen stürmten drauflos, versuchten Trumps sattsam bekannte flotte Sprüche über Frauen, Grenzschutz und Staatsschulden in ihre Einzelteile zu zerlegen. Einer aber, Ben Carson, fiel vor allem durch seinen betont sanften Tonfall auf, und dass er dem direkten Konflikt mit dem großmäuligen Milliardär auswich.

Einschläfernd findet man das nicht nur im Weißen Haus, auch viele Kommentatoren mutmaßen, der 63-jährige Arzt aus der einstigen Autometropole Detroit sei nur deshalb so leise, weil er eigentlich nicht viel zu sagen haben.

Mit Politik nichts zu tun

Doch das Schlafmittel Carson wirkt bei den Wählern. Inzwischen hat der Schwarze Trump an der Spitze des Kandidaten-Felds eingeholt. Die grundsätzliche Stärke des Immobilien-Tycoons kann auch er für sich verbuchen: Er hat mit der etablierten US-Politik, dem Washingtoner Zirkus also, wie ihn viele Amerikaner verächtlich nennen, nichts zu tun. Carson blickt vielmehr auf eine imposante Karriere als Neurochirurg zurück. Seine größte Leistung, die Trennung zweier am Kopf zusammengewachsener siamesischer Zwillinge, hat er inzwischen auch in Buchform weidlich ausgeschlachtet.

Für US-Präsidentschaftskandidaten ist es eine Pflichtübung, sich irgendwie zumindest ein Stückchen ärmliche Kindheit in bescheidenen Verhältnissen zusammenreimen zu lassen. Carson kommt tatsächlich aus einem schwarzen Getto, ist Sohn einer bettelarmen Alleinerzieherin.

Streng konservativ

Die Lebensphilosophie, die er sich aus dieser Biografie gezimmert hat, klingt wie eine Bauanleitung für einen rechtskonservativen US-Republikaner. Carson ist gegen Abtreibung, gegen die von Obama eingeführte Krankenversicherung für jedermann und ganz allgemein gegen den, wie er meint, überbordenden Sozialstaat. Die in letzter Zeit politisch ins Abseits gedrängte rechtskonservative Tea-Party-Bewegung sieht in ihm längst ihren neuen Star.

"Sie bestrafen die Ehe"

Carson bedient diese Rechtsausleger verlässlich mit seinem Ruf nach "alten Werten", die man nur wachrufen müsse, um Amerika wieder stark zu machen: "Eigenverantwortung, Mitgefühl und Respekt". Carson sieht das traditionelle Familienbild beschädigt, auch durch den Staat, der das Modell Vater-Mutter-Kinder ständig benachteilige. Doch nur dort könne man Kinder zu verantwortungsbewussten und leistungsstarken Bürgern machen. Staatliche Sozialleistungen dagegen würden Armut nicht bekämpfen, sondern lediglich einzementieren: "Sie machen Arbeit unattraktiv, bestrafen die Ehe und produzieren nichts als Sprengstoff für die Moral."

Carson bedient sich unaufhörlich bei all diesen bekannten Phrasen aus dem Fundus der Tea Party, doch er präsentiert sie nicht im lauten Predigerton, sondern mit sanfter Nachdenklichkeit. Was anderswo längst abgedroschen klingt, wirkt bei ihm wie im Laufe eines Lebens gereifte tiefsitzende Überzeugungen.

Natürlich betont Carson auch gerne, dass er eigentlich nichts weniger wolle als Präsident werden. Er habe sich schon so auf einen "erholsamen Ruhestand" gefreut, aber im Zwiegespräch mit Gott, sei ihm klar geworden, dass er es einfach tun müsse. "Weit weg von Trumps Sprüchen", kommentierte gallig ein Experte auf CNN, "ist er damit nicht."

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