Kolumbien: Frieden endlich beschlossen

Die Politiker in Kolumbien beschließen den Friedens-Vertrag
Nach dem "Ja" des Senats stimmte nun auch das Parlament mit 130 Stimmen für den überarbeiteten Friedensvertrag. Gegner des Abkommens enthielten sich.

Nach über 50 Jahren Konflikt ist der historische Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla endgültig beschlossen. Nach dem Senat billigte auch das Parlament in Bogota am Mittwochabend (Ortszeit) das Abkommen, das damit nun in Kraft treten kann. Das Ergebnis: 130 Ja-Stimmen, keine Gegenstimme, wobei die Gegner des Abkommens nicht an der Abstimmung teilnahmen.

Für Präsident Juan Manuel Santos, dem für seine Bemühungen heuer der Friedensnobelpreis zugesprochen war, ist es die Krönung seiner politischen Karriere. Er dankte dem Kongress für den "historischen Rückhalt und die Hoffnung auf Frieden für die Kolumbianer".

Strafregelung verschärft

Seit 2012 war auf neutralem Boden in Kubas Hauptstadt Havanna verhandelt worden. Ende September wurde eine erste Version im Beisein vieler Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Dann aber lehnte das Volk das Abkommen in einem Referendum am 2. Oktober mit knapper Mehrheit ab - eine Zustimmung nur des Kongresses hätte gereicht, aber Santos wollte den größtmöglichen Rückhalt. Die Gegner um den früheren Präsidenten Alvaro Uribe kritisierten vor allem zu milde Strafen.

Der Vertrag wurde überarbeitet, die Strafregelungen etwas verschärft, zudem soll das Vermögen der Rebellen, die sich über den Drogenhandel finanzieren, zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden.

Beim zweiten Anlauf war die Beteiligung des Volkes nicht vorgesehen. Uribes Partei Centro Democratico boykottierte das Votum. Wenn nun alles glattgeht, sollen die noch 5.800 Kämpfer noch in diesem Jahr mit der Abgabe der Waffen beginnen - Hunderte UNO-Blauhelme sollen den Prozess überwachen.

Das erste Friedensabkommen zwischen der Regierung und der linken Guerillaorganisation FARC war in einer Volksabstimmung durchgefallen. Nun hat es im zweiten Anlauf geklappt. Ein Überblick.

SONDERJUSTIZ: Ein Sondertribunal soll die im seit 1964 andauernden Konflikt verübten Verbrechen aufklären. Geständige Täter müssen für maximal acht Jahre in Haft - in vielen Fällen soll aber auch Hausarrest möglich sein. Das stößt auf viel Widerstand. Hier gab es eine leichte Verschärfung: Zwar können Ex-Kämpfer Arreststrafen auf Farmen verbüßen, wo sie soziale Arbeit verrichten. Die Bewegungsfreiheit soll aber stark beschränkt werden. UNO-Blauhelmsoldaten werden sie bewachen. Aber: Urteile der Sonderjustiz können vor dem Verfassungsgericht angefochten werden - der Punkt wurde neu hineinverhandelt.

OPFERENTSCHÄDIGUNG: Die FARC müssen ihr Vermögen offen legen. Es soll zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden - das ist der wichtigste neue Punkt im überarbeiteten Abkommen. Über wie viel Geld die Rebellen verfügen, ist aber völlig unklar. Ebenso, wie man Zugriff darauf bekommen soll. Mit Drogenhandel, illegalem Bergbau und Schutzgelderpressung hat die Guerilla erhebliche Summen verdient.

POLITISCHE TEILHABE: Die Ex-Guerilleros sollen künftig politisch für ihre Ziele eintreten. Für die nächsten zwei Wahlperioden bekommen sie mindestens je fünf Sitze im Senat und in der Abgeordnetenkammer garantiert. Danach müssen sie ihre Mandate im normalen Wahlprozess gewinnen. Der Staat garantiert die freie politische Beteiligung der Ex-Kämpfer. Kritiker des Abkommens monieren, dass auch für schwere Verbrechen verantwortliche Rebellenführer bei Wahlen antreten dürfen.

LANDREFORM: Die extreme Konzentrierung des Landbesitzes war einer der Auslöser des Konflikts. Nun soll Grund und Boden gerechter verteilt werden. Ein Fonds soll in den kommenden zehn Jahren drei Millionen Hektar Land verteilen. Außerdem sieht der Plan unter anderem den Bau von Häusern, Schulungen für Bauern und den Aufbau von Vertriebsstrukturen für landwirtschaftliche Produkte vor. Der Schutz von Privateigentum wird garantiert. Damit wird den Befürchtungen von Großgrundbesitzern entgegen getreten, sie könnten enteignet werden.

ENDGÜLTIGER WAFFENSTILLSTAND: Die FARC stellen alle Operationen ein und geben den bewaffneten Kampf auf. Die Kämpfer sollen sich in 28 Zonen im ganzen Land sammeln und ihre Waffen den Vereinten Nationen übergeben. Die ehemaligen FARC-Mitglieder erhalten für zwei Jahre eine monatliche Basispension und eine Einmalzahlung von zwei Millionen Pesos (rund 610 Euro). Die staatlichen Sicherheitskräfte beschützen die ehemaligen Rebellen, die Waffen werden eingeschmolzen.

DROGENPOLITIK: Die FARC müssen alle Informationen über den Drogenhandel offen legen. Künftig sollen statt Repression Prävention, Schutz der Menschenrechte und Hilfe für die Bauern im Zentrum der Drogenpolitik stehen. Schritt für Schritt sollen die Koka- und Marihuana-Plantagen durch Anbauflächen für legale landwirtschaftliche Produkte ersetzt werden. Die Bauern werden bei der Umstellung unterstützt - aber Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass der Kokaanbau zu lukrativ ist, um ihn so wirklich eindämmen zu können

In Kolumbien kämpfen seit 1964 linke Guerillagruppen gegen das Militär, jahrzehntelang beteiligten sich auch rechte Paramilitärs an den Kampfhandlungen. Mehr als 220.000 Menschen wurden getötet. Zudem wurden Millionen Kolumbianer vertrieben. Nach Afghanistan ist Kolumbien das Land mit den meisten Landminen-Opfern.

Mit der größten und ältesten Guerillaorganisation Lateinamerikas, FARC, handelte die Regierung seit 2012 ein Friedensabkommen aus. Der Frieden mit der Gruppe (zuletzt noch 5.800 Kämpfer) gilt als Schlüssel für ein Ende des Konflikts. Auch die kleinere ELN-Guerilla (noch rund 2.000 Kämpfer) will Friedensverhandlungen aufnehmen. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht führten die FARC-Rebellen von 1998 bis 2002 bereits einmal Friedensgespräche mit der Regierung. Damals wurde ihnen eine demilitarisierte Zone von der Größe der Schweiz zugesprochen.

Allerdings nutzten die Rebellen das Gebiet als Rückzugsort nach Attacken, die Verhandlungen scheiterten. In den vergangenen Jahren erlitten die Rebellen empfindliche militärische Rückschläge. 2010 übernahm Juan Manuel Santos das Präsidentenamt mit dem Ziel, den Konflikt beizulegen. Die FARC finanzierten sich zuletzt durch Drogenhandel, illegalen Bergbau, Schutzgelder und Entführungen.

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