"Koalition der Willigen" soll die EU retten

Premierminister Xavier Bettel
Luxemburgs Premierminister unterstützt Reformpläne Macrons, die Finanztransaktionssteuer lehnt er ab.

Sie sind jung, liberal, pro-europäisch und enge Freunde: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel. Sie teilen auch die Pläne für einen Umbau Europas, doch in einem Punkt trennen die beiden Welten. "Ich stimme mit den Reformvorschlägen Macrons völlig überein, er hat in seiner Rede gesagt, was Europa derzeit braucht, aber eine EU-weite Finanztransaktionssteuer kommt für Luxemburg nicht in Frage", sagt Bettel. Luxemburg als steuerlich attraktiver Standort für Banken und Finanzdienstleister wäre gefährdet, gab Bettel offen zu. Luxemburgs Streuerpraktiken seien sauber, Lux-Leaks und Panama-Papers eine Geschichte von gestern. "Das Herzogtum scheint auf keiner schwarzen Liste auf", verteidigte er die Steuerpolitik seines Landes. Nur eine weltweite Finanztransaktionssteuer würde Bettel akzeptieren, "aber wenn Frankreich die Abgabe unbedingt will, dann soll es sie einführen".

Die Finanztransaktionssteuer lehnt Bettel so sehr ab, dass er vor dem heute, Freitag, beginnenden EU-Gipfel in Tallinn ein Abendessen der Staats- und Regierungschefs zu dieser Frage verlangte und eine Debatte über die Zukunft der EU initiierte. Wie er sich diese Zukunft auf Basis der Macron-Pläne konkret vorstellt, darüber sprach er Mittwochabend auf Einladung der Europäischen Investitionsbank mit EU-Journalisten in Luxemburg.

Handeln, nicht reden

So sehr er an nationalen Entscheidungen in der Steuerpolitik festhält, so sehr verlangt er eine stärkere gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit, der Verteidigung, der Migration, der Asylpolitik und des Binnenmarktes. "Es muss die Möglichkeit geben, dass Länder vorangehen. Wir können nicht ständig auf die Langsamsten warten." Bettel will ein "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten" oder wie er gegenüber dem KURIER formulierte, "eine Koalition der Willigen", die den Kern bilden. Diese Koalition, eine Art Avantgarde, sollte die EU retten und voranbringen. "Ich kann das Wort Reform nicht mehr hören, wir müssen handeln."

Eine klare Absage erteilte er den Plänen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Schengen- und Euro-Zone rasch zu erweitern. "Das ist eine falsche Botschaft", kritisiert er Juncker, der sein langjähriger Vorgänger und politischer Rivale in Luxemburg war. "Schengen um Rumänien oder Bulgarien zu vergrößern, setzt eine funktionierende Kontrolle der EU-Außengrenze voraus, nur dann können die inneren Grenzen geöffnet werden." Auch die Euro-Erweiterung dürfe kein Automatismus sein. "Es gibt für den Euro-Eintritt strenge Kriterien."

Entschieden ist Bettel gegen Pläne, Staaten, die sich nicht an EU-Recht halten – wie Ungarn oder Polen – mit der Kürzung von EU-Geldern zu bestrafen. "Das wäre das letzte Mittel, das System Bombe."

Fakten, nicht Facebook

Sorge bereitet dem liberalen Politiker eine Entwicklung in der EU, wonach immer mehr Menschen "an Facebook-Eintragungen glauben und nicht an Fakten und gesichertes Wissen".

Dieser Trend würde auch den Populismus in der EU befeuern. Als "unglaublich" bezeichnete Bettel den Wahlerfolg der Alternative für Deutschland und ihr Einzug in den Bundestag.

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