Droht Job-Massaker durch KI bis Ende von Trumps Amtszeit?

US Labor Department reports slowdown in American job market
Dario Amodei, Chef des KI-Riesen Anthrophic, rüttelt mit düsterer Prognose die USA auf.

Seit Physiknobelpreisträger Geoffrey Hinton den rasanten Aufstieg der „Künstlichen Intelligenz” im vergangenen Jahr mit der Nukleartechnologie verglich und forderte, sie ebenso akribisch zu regulieren, hat kein Kommentar solche Breitenwirkung erzeugt: Dario Amodei, Chef von „Anthropic”, einem der weltweit leistungsstärksten Entwickler von künstlicher Intelligenz hat die USA mit einer beängstigenden Warnung aufgerüttelt. 

Massenarbeitslosigkeit von bis zu 20 Prozent

Danach kann noch im Laufe der Amtszeit von Präsident Donald Trump bis 2029 eine Massenarbeitslosigkeit von bis zu 20 % entstehen. Amodei sieht eine Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen in den Bereichen Technologie, Finanzen, Recht, Service und anderen Angestelltenberufen aufziehen, von der insbesondere junge Menschen auf den unteren Sprossen der Karriereleiter betroffen sein würden.

Zeigt auf: Dario Amodei

Der Weckruf liegt konträr zur KI-Strategie des Weißen Hauses, das sich anders als etwa die Europäische Union der Linie verschrieben hat, der vom Silicon Valley dominierten KI-Industrie keine Steine in den Weg zu legen und möglichst wenig zu regulieren. 

Wohl Thema im Wahlkampf

Steve Bannon, immer noch einer der einflussreichsten Stimmen der Maga-Bewegung, sieht darin einen Fehler. „Ich glaube, niemand berücksichtigt, wie Verwaltungs-, Management- und Tech-Jobs für Menschen unter 30, Einstiegsjobs, die in den Zwanzigern so wichtig sind, wegfallen werden“, erklärte der rechtspopulistische Aktivist in seinem Podcast „War Room”. Prognose: Der Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt werde ein zentrales Thema des Präsidentschaftswahlkampfes 2028 sein.

Amodeis Standpunkt ist deshalb so relevant, weil er kein Kritiker ist, der von außen auf die KI schaut. Das mit seiner Schwester Daniela geführte Unternehmen Anthropic, bei dem unter anderem Amazon und Google mit Milliarden-Investitionen eingestiegen sind, konkurriert mit dem ChatGPT-Entwickler OpenAI und anderen KI-Unternehmen im Wettbewerb um die leistungsfähigsten Sprach-Systeme.

Die neuen Claude-Versionen Opus 4 und Sonnet 4 des Unternehmens sorgten kürzlich für Schlagzeilen, weil sie in Versuchsanordnungen „extremes Erpressungsverhalten“ an den Tag gelegt hätten. Sie versuchten menschliche Nutzer, die mit der Abschaltung des Systems drohten, davon abzuhalten. Wie? Sie drohten damit, Informationen über eine außereheliche Affäre des betreffenden Ingenieurs an die Medien durchzustechen. Auch zum Kauf von von Drogen oder anderen illegalen Gütern im Darknet seien die Systeme in der Lage gewesen.

Es fehle an Grundwissen

Amodeis Szenario geht von der Überzeugung aus, dass schon in wenigen Monaten „eine große Zahl von KI-Systemen existieren wird, die in nahezu allem ­besser und schlauer sind als Menschen”. Dies erkläre sich durch die immer schnelleren Fortschritte bei der Verfeinerung der Systeme. Anstatt die Risiken, die damit einhergehen, klar zu benennen, duckten sich viele KI-Unternehmer weg. In der Politik fehle es an Grundwissen, um die Gefahren einzuschätzen. Das Gros der Arbeitnehmer werde die Risiken einer „Job-Apokalypse” erst dann registrieren, wenn es bereits zu spät ist.

Sein Szenario sieht ungefähr so aus: OpenAI, Google, Anthropic und andere KI-Unternehmen verbessern kontinuierlich die Fähigkeiten ihrer großen Sprachmodelle (LLMs), um die menschliche Leistungsfähigkeit bei immer mehr Aufgaben zu erreichen und zu übertreffen. Die US-Regierung, die befürchtet, gegenüber China an Boden zu verlieren oder die Arbeitnehmer mit vorzeitigen Warnungen zu verunsichern, bleibt stumm. Entsprechend desinteressiert reagieren die meisten Amerikaner, wenn KI Thema in öffentlichen Debatten ist. 

Die Sache mit den Agenten

Irgendwann, ob in wenigen Monaten oder erst ein, zwei Jahren, würde Unternehmensführer quasi über Nacht erkennen, welche Einsparungen sich durch den Ersatz von Menschen durch KI ergeben. Konsequenz: Sie stellen keine neuen Mitarbeiter mehr ein, besetzen bestehende Stellen nicht mehr neu und ersetzen menschliche Arbeitskräfte durch Agenten oder ähnliche automatisierte Alternativen.

Unter „Agenten” versteht die Branche eine hochleistungsfähige KI, die menschliche Arbeit (Kunden-Service, Marketing, Lektorat, Vertrieb und Recherche) sofort, unbegrenzt und viel billiger erledigen kann. Konkretes Beispiel: Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigte für dieses Jahr den Einsatz von KI-Agenten an, die auf dem Niveau eines mittleren Ingenieurs Code schreiben können. Dadurch fielen Hunderte Arbeitsplätze im Unternehmen weg.

300 Millionen Jobs betroffen?

Die Alarm-Rufe Amodeis, der einst beim Rivalen OpenAI tätig war, stehen nicht im luftleeren Raum. Im Report des Weltwirtschaftsforums sagen 40 Prozent der Arbeitgeber, dass sie durch KI ihre Belegschaft, wo möglich, bis 2030 reduzieren werden. Bereits vor zwei Jahren schätzte Goldman Sachs, dass dank KI bis zu einem Viertel aller Arbeitsplätze in Europa und den USA überflüssig wird - weltweit würden 300 Millionen Jobs wegfallen.

Was tun? Amodei denkt zunächst an Sensibilisierung der Menschen für den mit Hochgeschwindigkeit nahenden Epochen-Wechsel. Danach müsse über Umschulungs-Modelle gesprochen werden. Und über neue Wege, den absehbar exponentiell steigenden Wohlstand großer KI-Unternehmen sozialverträglich zu machen. Gegenüber dem Magazin „Axios” skizzierte der 42-Jährige die Idee einer Extra-Steuer: Jedes Mal, wenn jemand ein Modell nutzt und das KI-Unternehmen damit Geld verdient, könnten drei Prozent dieser Einnahmen an den Staat gehen und „umverteilt“ werden.

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